Insekten in der Planung – Mehr Einsatz für die biologische Vielfalt
(Sabine Dietel) Insekten finden bislang bei der Bewertung von Eingriffsvorhaben nur wenig Beachtung, obwohl sie als fester Bestandteil der biologischen Vielfalt wichtige Funktionen für Ökosysteme erfüllen und derzeit stark gefährdet sind. Ein Forschungs- und Entwicklungsvorhaben des Bundesamtes für Naturschutz beschäftigt sich damit, wie diese vielfältige Artengruppe bei der Eingriffsbewertung und in planerischen Entscheidungsprozessen besser berücksichtigt werden kann.
Insekten spielen eine zentrale Rolle in Ökosystemen, da sie Nahrungsketten und Stoffkreisläufe beeinflussen. Aufgrund ihrer hohen Artendiversität tragen sie maßgeblich zur biologischen Vielfalt bei. Viele anthropogene Einflüsse führen allerdings zu einem massiven Rückgang der Insekten-Biomasse. Insekten gehören zum Naturhaushalt, der durch das Bundesnaturschutzgesetz geschützt wird. Bei Planungen muss der Naturhaushalt gesichert werden, wobei der Fokus auf der biologischen Vielfalt liegt. In der Praxis finden Insekten aktuell jedoch nur unzureichend Beachtung, insbesondere bei der Bewertung von Eingriffsvorhaben über Biotopkartierungen und daraus abgeleiteter Konfliktbewertungen und Schutzmaßnahmen für gefährdete Arten. Sie sind sowohl in der Fauna-Flora-Habitat(FFH)-Verträglichkeitsprüfung, in der Umweltverträglichkeitsprüfung als auch bei der Anwendung der Eingriffsregelung unterrepräsentiert. Artenschutzprüfungen und Biotopbewertungen greifen häufig zu kurz, da sie die spezifischen Bedürfnisse vieler Insektenarten nicht berücksichtigen. Ein Problem sind die besonderen Lebensraumansprüche und Verbreitungsmuster der Insekten. Sie sind daher methodisch oft schwer und nie vollumfänglich zu erfassen. Wie kann es daher gelingen, besonders artenreiche Gruppen wie Käfer, Zweiflügler und Schmetterlinge in der Eingriffsfolgenbewältigung zu berücksichtigen?
Genau dort setzt das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben PLAIN des Bundesamtes für Naturschutz an. Im Projekt wurden Methoden entwickelt, um den Bestand planungsrelevanter Insektengruppen im Kontext von Eingriffsvorhaben zu erfassen und Beeinträchtigungen zu beurteilen. Wirksame Vermeidungs- und Kompensationsmaßnahmen werden vorgestellt, um Insekten bei der Eingriffsbewertung besser zu berücksichtigen. Anhand von Kriterien (wie Artvorkommen, Lebensraumansprüche, Verbreitung, Gefährdung, Empfindlichkeit gegenüber spezifischen Wirkfaktoren) wurde
- die Relevanz von Artengruppen für bestimmte Lebensräume aufgeschlüsselt und
- eine standardisierte Bewertung mit anwendbaren Erfassungsmethoden empfohlen.
Außerdem wurden Referenzlisten von besonders planungsrelevanten Insektenarten bereitgestellt, die bei begründetem Verdacht auf besondere Vorkommen ebenfalls erfasst und bewertet werden.
Insektenarten werden demnach meist nur in ausgewählten Teilbereichen oder Probestellen erfasst, da eine flächendeckende Erfassung oft nicht praktikabel ist. Arten von besonderer Planungsrelevanz, wie solche der FFH-Richtlinie, werden stets berücksichtigt. Auf großen Planungsebenen, bei denen das Vorhaben potenziell gravierende Beeinträchtigungen verursacht, müssen alle relevanten Arten genau untersucht werden, um einen vollumfänglichen Abwägungsprozess – und wenn nötig eine Alternativenprüfung – zu gewährleisten.
Vorhabenbezogene Beeinträchtigungen und vorhabenbedingte Einflüsse auf die Habitatqualität, den funktionalen Verbund oder Populationen besonders sensibler Artengruppen werden anhand von Wirkfaktoren (wie Licht, stoffliche Einträge, Veränderung hydrologischer Bedingungen) identifiziert. Mit einer verbal-argumentativen Bewertung der Wirkintensitäten wird der Grad der funktionellen Beeinträchtigung oder des Funktionsverlusts der betroffenen Arten(-gruppen) beurteilt. Liegt eine „erhebliche Beeinträchtigung besonderer Schwere“ vor, sind im Rahmen der Bundeskompensationsverordnung (BKompV) funktionsspezifische Kompensationsmaßnahmen für die betroffenen Insektenpopulationen zu ergreifen (vergleiche § 4 Abs. 3 Nr. 1 und § 7 Abs. 2 Nr. 1 Bayerische Kompensationsverordnung [BayKompV]). Ein Ausgleich über (multifunktionale) biotopbezogene Maßnahmen ohne spezifische Artberücksichtigung reicht dann nicht aus. Das Biotopwertverfahren soll auch zur Kompensation für Insekten angewendet werden, wobei Maßnahmen für spezifische Arten wie Bestäuber und Dungverwerter berücksichtigt werden müssen. Bei der Entwicklung dieser Maßnahmen soll der Fokus auf der funktionalen Bedeutung von Insekten und einer detaillierten Betrachtung ihrer Lebensräume liegen.
Die Forschungsergebnisse des F+E-Vorhabens verknüpfen die Bewertung räumlicher Einheiten anhand von Artvorkommen mit der Bewertung von Funktionen und Eingriffsschwere nach BKompV. Sie sind auch auf andere raumplanerische Anwendungsbereiche übertragbar und liefern damit allgemein anwendbare Werkzeuge, die fachlich-planerische Entscheidungen unterstützen und zu einem verbesserten Schutz von Insektenarten bei Planungs- und Bauprojekten beitragen. Inwiefern analog auch eine Übertragung im Anwendungsbereich der BayKompV gelingen kann, müsste aber noch im Detail geprüft werden.
Die Berücksichtigung von Insekten in der Eingriffsregelung ist ein notwendiger Schritt, um der Bedeutung dieser Gruppe für die biologische Vielfalt gerecht zu werden und die Ökosystemleistungen langfristig zu sichern. Für eine erfolgreiche Umsetzung müssen Insektengruppen und -arten konkret in der Erfassung und Bewertung zu Umweltfolgen von Projekten berücksichtigt werden. Zusätzlich müssen auch praxisorientierte Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung der Eingriffswirkungen entwickelt werden, die auf die spezifischen Bedürfnisse von Insekten ausgerichtet sind. In diesem Zusammenhang ist auch die politische Unterstützung gefragt, um ausreichende Ressourcen für den Insektenschutz bereitzustellen und das Bewusstsein für die Bedeutung von Insekten in der Planung und Eingriffsregelung weiter zu stärken.
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TRAUTNER, J., ATTINGER, A., DÖRFEL, T. et al. (2025): Insekten in der Planung: Relevanz, Rahmenbedingungen und Umsetzung in der Praxis. – In: Naturschutz und Landschaftsplanung (NuL) 57(1): 16–27; DOI: 10.1399/NuL.97387.
Autorin
Sabine Dietel
Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege
sabine.dietel@anl.bayern.de
+49 8682 8963-42
Sabine Dietel (2025): Insekten in der Planung – Mehr Einsatz für die biologische Vielfalt. – Anliegen Natur 47/2; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/insekten-in-der-planung/.