7.12 Beweidung mit Damhirschen
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Zusammenfassung
Es liegen nur geringe Erfahrungen zur naturschutzorientierten Beweidung mit Damwild vor. Doch scheint diese Wildart im Vergleich zu einfacher zu haltenden Haustierarten keine Vorteile zu bringen. Durch die aufwendige Zäunung ist der Einsatz zur Landschaftspflege vermutlich nur in wenigen Situationen (großflächige Parkanlagen) sinnvoll. Dort wo Damhirsche für den Einsatz in der Landschaftspflege zur Verfügung stehen, sollte ihre Verwendung verstärkt erprobt werden, wobei eine sorgfältige Dokumentation des Einflusses auf Flora und Fauna erforderlich ist.
Damhirsche auf Herrenchiemsee (Landkreis Rosenheim).
Alle Fotos: Andreas Zahn.
Naturschutzrelevante Informationen zu Biologie, Verhalten und Nutzungsgeschichte
In der letzten Eiszeit ist der Damhirsch (Dama dama) aus Europa verschwunden. Er überlebte in den wärmeren Regionen Kleinasiens und Nordafrikas. Damhirsche wurden vermutlich im Mittelmeerraum schon vor mehreren 1.000 Jahren gehalten und gelangten mit den Römern wieder nach Mitteuropa. Im Mittelalter war der Damhirsch in ganz Europa verbreitet. Er wurde hauptsächlich in Gattern gehalten.
Im Freiland ist das Damwild in parkähnlichen Kulturlandschaften und lichten Wäldern zu finden und kann auch mit einem geringen Anteil an Waldflächen auskommen. Die Tiere sind tagaktiver als Rotwild. Die Brunft findet im Herbst statt. Nur zu dieser Zeit bilden Hirsche und weibliche Tiere ein gemeinsames Rudel, das sich während der Zeit des Geweihabwurfes wieder auflöst.
Damhirschkühe und Jungtiere leben innerhalb des Rudels in Familiengruppen. Die Kälber werden im Juni und Juli geboren. Hirsche bilden kleine Männerrudel oder leben als Einzelgänger. Gegenüber Menschen sind Damhirsche friedfertiger als Rothirsche.
Fraßverhalten
Damhirsche ernähren sich vorwiegend von grasiger und krautiger Vegetation. Während der Vegetationszeit besteht die Nahrung zu 60–95 % aus Gräsern (BUNZEL-DRÜKE et al. 2008). Im Herbst werden Eicheln und Bucheckern gerne genommen. Im Winter besteht die Nahrung überwiegend aus Gehölzen, wenn auf Zufütterung von Heu verzichtet wird. Bäume werden aber auch geschält, besonders, wenn nur wenige Gehölze in einem Gehege vorhanden sind. Insgesamt ist die Nahrungswahl ähnlich der des Schafes. Im Winter hat das Wild einen deutlich reduzierten Stoffwechsel und damit auch einen niedrigeren Nährstoffbedarf.
Einfluss auf Vegetation und Landschaft
Damwild wird meist zur Wildfleischerzeugung ganzjährig in weitläufigen Gehegen mit natürlichem Bewuchs als Wetter- und Sichtschutz gehalten. In der Regel erfolgt eine Zufütterung. Bei dem üblichen Besatz (mehrere GV/ha) übernutzen die Tiere die Vegetation, was zu floristisch völlig verarmten Flächen führt (VÖLKL 1997, 1999). Vor allem die Kräuter und Leguminosen werden sehr stark verbissen und letztendlich dominieren wenige Gräserarten. Auch Gehölze werden in solchen Gattern stark geschädigt.
Wie Damhirsche in natürlicher Dichte die Landschaft beeinflussen, ist wenig bekannt. Vermutlich kann der Verbiss zu einer gewissen Auflichtung von Wäldern führen, doch dürften freilebende Damhirsche das Aufkommen von Gehölzen auf offenen Flächen nicht verhindern (VÖLKL 1999).
Völkl (mündlich) berichtet von einem Damwildgatter bei Heinersreuth (Landkreis Bayreuth), das an einem arten- und blütenreichen, durch Sensenmahd genutzten Hang eingerichtet wurde. Bei zunächst intensiver Beweidung durch etwa 10 erwachsene Tiere mit Nachwuchs pro ha (1,5–2,0 GV/ha) wurde die Vegetation kurzrasig und blütenarm. 5 Jahre nachdem die Wilddichte auf maximal 0,7 GVE/ha reduziert wurde, war die Fläche wieder sehr artenreich. Unter anderem kamen Rundblättrige Glockenblume (Campanula rotundifolia), Knöllchen-Steinbrech (Saxifraga granulata), Wiesen-Kammgras (Cynosurus cristatus), Rauhaar-Löwenzahn (Leontodon hispidus) und Wiesen-Witwenblume (Knautia arvensis) zur Blüte, an den Säumen zum Zaun auch Gamander-Ehrenpreis (Veronica chamaedrys). Als die Dichte auf zirka 1,5 GV/ha erhöht wurde, änderte sich der Charakter der Vegetation erneut hin zur Kurzrasigkeit. Dieses Beispiel zeigt, dass sich in Damhirschgehegen bei geringer Tierdichte (weniger als 1 GV/ha) durchaus eine artenreiche Vegetation entwickeln kann.
Die Vegetation konventioneller Dammwildgehege ist äußerst artenarm. Hier ein Gehege im Landkreis Ebersberg.
Einfluss auf die Fauna
Die floristische Verarmung intensiv von Damwild beweideter Flächen wirkt sich auch auf die Fauna negativ aus. Bei extensiver Haltung dürfte die Wirkung der anderer Tierarten entsprechen, das heißt durch die Erhöhung der Strukturvielfalt und durch die Schaffung offener Bodenstellen kann sich der Artenreichtum der Fauna erhöhen.
Empfohlenes Weidemanagement
Ideal sind große Gehege, in denen auch im Winter keine wesentliche Zufütterung erforderlich, die Fläche also im Sommer unterbeweidet ist. Damit ist jedoch eine Gewichtsabnahme der Tiere im Winter verbunden. Soll dies aus wirtschaftlichen Gründen vermieden werden, so ist die Besatzdichte im Gehege zumindest so zu wählen, dass der Pflanzenaufwuchs den Futterbedarf des Wildes in der Hauptvegetationszeit etwas übersteigt, so dass der Druck auf die Vegetation nicht zu hoch ist. Es kann sich als günstig erweisen, während der Zeit der zusätzlichen Fütterung die Tiere in einem gesonderten Gatter auf naturschutzfachlich wenig interessanten Flächen unterzubringen, damit eine Eutrophierung der übrigen Weiden verhindert wird. Auch die Einrichtung mehrerer Koppeln ist denkbar, so dass zum Beispiel floristisch wertvollere Bereiche erst nach der Blüte beweidet werden können.
Besatzdichte und Herdgröße
Die Mindestgröße eines Damwildgeheges beträgt nach der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft 1 ha. Für jedes erwachsene Tier mit Nachzucht sollte eine Mindestfläche von 1.000 m² zur Verfügung stehen ( www.lfl.bayern.de/mam/cms07/publikationen/daten/informationen/p_45259.pdf). Beim Einsatz in der Landschaftspflege sind erheblich größere Areale und eine geringere Besatzdichte (0,5–1,0 GV/ha) oder ein häufiger Wechsel der Gatter sinnvoll. Eine Gehegeunterteilung und der damit mögliche Weidewechsel können auch den Infektionsdruck reduzieren.
Um die artspezifische Rudelbildung zu ermöglichen, sollten mindestens fünf erwachsene Tiere (vier weibliche Tiere und ein Hirsch) gehalten werden. Bei größeren Rudeln kommt es zur Bildung von geschlechtsspezifischen Gruppen, denen die Möglichkeit der Separierung gegeben werden muss.
Welche Rasse?
Ausgesprochene Rassen gibt es beim Damhirsch nicht. In vielen Gattern treten gehäuft hellbraune, weiße oder schwarze Farbschläge auf. Werden Damhirsche in Naturentwicklungsgebieten eingesetzt, sind Bestände mit wildfarbenen Tieren vorzuziehen.
Kombination mit anderen Weidetieren
Eine dauerhafte Vergesellschaftung von Gehegewild ist lediglich mit Rindern und Schafen erlaubt (nähere Informationen siehe Leitfaden Landwirtschaftliche Wildhaltung). In großen Gattern können Rot- und Damhirsche gemeinsam gehalten werden.
Zäunung
Die Zäune müssen mindestens 1,80 bis 2,00 m hoch und am Boden befestigt sein. Üblicherweise werden Knotengitter verwendet (ein häufig verwendeter Zaun ist zum Beispiel ein Knotengitter mit 200 cm Höhe, 17 Längsdrähten und 15 cm Abstand der Senkrechtdrähte). Sehr wichtig sind feste Drahtknoten, die von den Hirschen mit dem Geweih nicht verschoben werden können. Bei den Innenzäunen kann gegebenenfalls ein etwas niedrigerer Zaun und eine größere Maschenweite verwendet werden. Die Zäunung ist so zu gestalten, dass Tiere, insbesondere Kälber nicht entweichen können und das Eindringen von Raubwild, freilaufenden Hunden und Ähnlichem verhindert wird. Zu bedenken ist, dass derartige Zäune für einige freilebende Wildarten undurchlässig sind und dessen Lebensraum einschränken (VÖLKL 1999).
Der Verlauf des Zaunes darf keine spitzen Winkel aufweisen. Verletzungsgefahren müssen ausgeschlossen sein. Wichtige Hinweise zur Zäunung und zu Rechtsfragen der Weidesicherheit gibt das aid-Heft "Sichere Weidezäune" (Ausgabe 2010) ISBN 978-3-8308-0866-4.
Land- und betriebswirtschaftliche Aspekte, Tierschutz
Die Errichtung und der Betrieb von Wildgehegen unterliegen der Genehmigungspflicht nach dem Jagdgesetz, wenn sie eine Größe von mindestens 10 ha haben. Errichtung, Anlage, Standortansprüche, Gehegegestaltung, Tierbesatz und Tierbetreuung sind in den Richtlinien des Bayerischen Staatsministeriums für Landwirtschaft und Forsten geregelt. Für die Erlaubnis nach §11 Tierschutzgesetz ist die Veterinärabteilung in der Kreisverwaltungsbehörde zuständig. Hinsichtlich der „artgemäßen und verhaltensgerechten Ernährung, Pflege und Unterbringung“ sollte der Leitfaden „Landwirtschaftliche Wildhaltung“ der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (2004) Beachtung finden. Eine Tierkennzeichnung ist bisher nicht notwendig.
Damwild benötigt im Gegensatz zum Rotwild keine ausgesprochenen Tageseinstände in der Nähe der Äsungsflächen. Auch ist keine Suhle erforderlich (GOLZE 2007). Ein Unterstand ist nur notwendig, wenn kein natürlicher Witterungsschutz in Form vorn Bäumen und Sträuchern im Gehege vorhanden ist. Der Unterstand soll möglichst an zwei Seiten offen und zur Hauptwindrichtung hin geschlossen sein.
Eine Bodenbefestigung am Futterplatz verhindert die Entstehung morastiger Flächen und fördert zudem die Klauenabnutzung der Tiere. Um auch schwächeren Tieren eine ausreichende Nahrungsaufnahme zu ermöglichen, sollte Futter an mindestens zwei Plätzen angeboten werden.
Spezielle Literatur
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Hrsg., 1995): Leitlinien für eine tierschutzgerechte Haltung von Wild in Gehegen: 24 S; www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Tier/Tierschutz/GutachtenLeitlinien/HaltungWild.html;nn=310198.
Golze, M. (2007): Landwirtschaftliche Wildhaltung – Damwild, Rotwild, Muffelwild, Schwarzwild und andere Wildarten. – Ulmer Verlag, Stuttgart: 156 S.
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (2004): Landwirtschaftliche Wildhaltung – Ein Leitfaden. – www.lfl.bayern.de/mam/cms07/publikationen/daten/informationen/p_45259.pdf.
Völkl, W. (1997): Die Offenhaltung von Grünland in Mittelgebirgen – Problematik und Möglichkeiten anhand eines Beispieles aus dem Fichtelgebirge. – Schriftenr. Landschaftspfl. Natursch. 54: 85–91.
Völkl, W. (1999): Schalenwild und Sukzession: Welche Rolle können einheimische Wildtiere beim Erhalt der Kulturlandschaft spielen? – Natur- und Kulturlandschaft 3: 310–317.
Autor:
Dr. Andreas Zahn
Hermann-Löns-Straße 4
84478 Waldkraiburg
Telefon +49 8638 86117
andreas.zahn@iiv.de
Gutachter:
Wolfgang Völkl
Zitiervorschlag:
Zahn, A. (2014): Beweidung mit Damhirschen. – In: Burkart-Aicher, B. et al., Online-Handbuch "Beweidung im Naturschutz", Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL), Laufen; www.anl.bayern.de/fachinformationen/beweidung/handbuchinhalt.htm.
Ansprechpartnerin an der ANL:
Dr. Bettina Burkart-Aicher
Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL)
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