Neue Heimat für einen Oberpfälzer Ureinwohner
Laufzeit: ab 2013
Der Goldene Scheckenfalter (Euphydrias aurinia) zählt zu den besonderen Tagfaltern der Feuchtwiesen, Streuwiesen und Niedermoore. Doch immer mehr dieser einst häufigen Landschaftselemente fallen brach und verbuschen oder werden in intensive Grünlandnutzung überführt. In der Folge verschwinden charakteristische Blütenpflanzen wie der Teufelsabbiss (Succisa pratensis), die den Raupen dieses Scheckenfalters als Nahrung dienen. Diese Veränderungen führten seit Mitte des 20. Jahrhundert in ganz Europa zu einem extrem starken Bestandsrückgang von Euphydrias aurinia. Mit der Aufnahme in Anhang II der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie hat sich die Europäische Staatengemeinschaft dem Schutz dieser Art im besonderen Maße verpflichtet.
Historisch belegte Vorkommen heute erloschen
Auch in den Roten Listen Bayerns und Deutschlands wird der Goldene Scheckenfalter als „stark gefährdet“ geführt, ist über weite Bereiche Deutschlands aber bereits ausgestorben. In Bayern kommt die Art nur noch im voralpinen Hügel- und Moorland regelmäßiger vor. Nördlich davon gibt es noch einzelne isolierte Populationen. Dagegen sind die einst zahlreichen historisch belegten Vorkommen auf der nördlichen Münchener Ebene heute gänzlich erloschen, ebenso alle bekannten Populationen des Nördlichen und Östlichen Frankenjura sowie im Obermain-Hügelland wie auch im Mittelfränkischen Becken.
Im Rahmen eines Biodiversitätsprojektes gab die Regierung der Oberpfalz 2013 eine Recherche zur Bestandssituation des Goldenen Scheckenfalters in Auftrag. Das Ergebnis ist alarmierend: Auch hier sind die letzten Vorkommen im gesamten Regierungsbezirk inzwischen verschwunden. Eine „natürliche“ selbstständige Rückbesiedlung der Oberpfalz ist für diese Art ausgeschlossen, weil geeignete Habitate fehlen. Daher kann dieser „Oberpfälzer Urbürger“ nur mit Hilfe des Menschen künftig wieder in seiner einstigen Heimat Fuß fassen. Eine Wiederansiedelung vorzubereiten und durchzuführen ist nun Ziel des Biodiversitätsprojektes.
Um es zu erreichen, müssen zunächst geeignete Flächen gefunden und in einen Zustand gebracht werden, der den Bedürfnissen von Euphydrias aurinia langfristig gerecht wird. Diese Flächen müssen folgende Voraussetzungen erfüllen: Sie liegen in der Verbreitungskulisse des Goldenen Scheckenfalters. Die Eigentumsverhältnisse und ihr Schutzstatus sind langfristig gesichert; dies bedeutet, dass die Flächen sich im Eigentum von Naturschutzverbänden befinden oder als ökologische Ausgleichsflächen vorrangig dem Naturschutz gewidmet sind. Weiter muss dort die Nahrungspflanze der Raupen – der Teufelsabbiss-Pflanzen (Succisa pratensis) – in ausreichend großen Beständen in entsprechender Dichte und Qualität wachsen. Die Nutzung oder Pflege der Flächen sind auf den Erhalt dieser Raupenfutterpflanzen und ihrer Lebensräume auszurichten. Die Flächen sollten ausreichend besonnt und etwaige Gehölzsukzessionen kontrollierbar sein. Bestenfalls sollte das Habitat im Verbund mit weiteren Teillebensräumen liegen, damit geeignete Strukturen für den Austausch benachbarter Populationen angelegt werden können.
Wiederansiedlung bedarf Vorarbeit
Fünf infrage kommende Flächenkomplexe wurden auf ihre Eignung zur Wiederansiedelung des Scheckenfalters näher untersucht, darunter eine Streuwiese bei Berngau im Landkreis Neumarkt, zwei Moor- und Streuwiesenkomplexe östlich Eslarn und südlich Greuth im Landkreis Neustadt an der Waldnaab sowie die „Scheibenwiese“ und das Seibertsbachtal im Landkreis Tirschenreuth. Ein Teil der für jede Fläche empfohlenen Maßnahmen konnte inzwischen in Absprache mit den beteiligten unteren Naturschutzbehörden, Landschaftspflegeverbänden, Naturpark und Grundstückseigentümern umgesetzt werden: Es wurden Flächen angekauft, Bäume gefällt, Büsche entnommen, Neophyten bekämpft sowie Mahdregime entwickelt und umgesetzt. Außerdem wurde der Teufelsabbiss als Raupenfutterpflanze gezielt angesamt.
Erst wenn alle oben angeführten Voraussetzungen erfüllt sind, kann mit einer Wiederansiedlung des Goldenen Scheckenfalters begonnen werden. Dies ist, teils mit Einschränkungen, bislang nur an zwei der betrachteten Flächenkomplexe der Fall: Geeignet ist einmal die Streuwiese bei Berngau im Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz sowie ein Streu- und Moorwiesenkomplex bei Eslarn im Landkreis Neustadt an der Waldnaab. In beiden Gebieten konnte der Lebensraum seit 2014 durch umfangreiche Anstrengungen deutlich verbessert werden. Diese positive Entwicklung soll künftig weiter vorangetrieben werden. Zusätzlich wurde eine weitere Fläche bei Greuth im Landkreis Neustadt/Waldnaab angekauft und kann möglicherweise in Zukunft einbezogen werden. Die Projektleiter stehen in regem Austausch mit ihren Mitarbeitern des BUND Naturschutz in Hof, die sich im „Grünen Band“ im bayerisch-sächsischen Grenzgebiet und an der Grenze zur Tschechischen Republik für die Sicherung, Optimierung, Erweiterung und Vernetzung der Lebensräume des Goldenen Scheckenfalters einsetzen.
Von Sachsen in die Oberpfalz
Genetische Untersuchungen hatten gezeigt, dass die noch bis vor wenigen Jahren in der Oberpfalz lebenden Scheckenfalter ihren böhmischen und sächsischen Artgenossen besonders ähnlich waren. Daher entschloss man sich, adulte Tiere aus einer starken Population in Sachsen zu entnehmen und in die Oberpfalz umzusiedeln. Nachdem die Genehmigung für diese Entnahme von Spendertieren eingeholt worden war, wurden im Sommer 2018 zunächst jeweils zwei Dutzend frisch geschlüpfte männliche und weibliche Scheckenfalter jenseits der Landesgrenze gefangen und auf der vorbereiteten Fläche im Landkreis Neustadt an der Waldnaab ausgesetzt. 2019 sollen weitere frisch geschlüpfte Spendertiere umgesiedelt werden; geplant ist zudem eine genaue Dokumentation der Bestandsentwicklung in den kommenden Jahren. Parallel dazu werden weitere Flächen für eine Besiedelung vorbereitet.
Initiator/Träger:
Regierung der Oberpfalz
Werkvertragsnehmer:
sbi-silvaea biome institut, Ralf Bolz
Kooperationspartner:
Naturpark Nördlicher Oberpfälzer Wald
Untere Naturschutzbehörden der Landkreise Neustadt an der Waldnaab und Neumarkt in der Oberpfalz
Gebietskenner und europäische Artspezialisten
Verein zum Schutz wertvoller Landschaftsbestandteile in der Oberpfalz e.V.
Forstbetrieb Flossenbürg der Bayerische Staatsforsten
Landschaftspflegeverband Neumarkt in der Oberpfalz
Landkreise:
Neumarkt in der Oberpfalz, Neustadt an der Waldnaab, Tirschenreuth
Ansprechpartner:
Dr. Maria Hanauer, Regierung der Oberpfalz
Weitergehende Informationen
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Was ist biologische Vielfalt?
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