Vielfalt in der Agrarlandschaft
Einführung
Das Hundsmoors – „Insel der Artenvielfalt“ inmitten von intensivem Grünland.
Unsere Landwirtschaft prägt in vielfältiger Weise die Landschaft und somit den Lebensraum zahlreicher Tiere und Pflanzen. In den vergangenen Jahrzehnten haben intensive Bewirtschaftungsmethoden auf Acker, Wiese und Weide den Verlust der Artenvielfalt in Deutschland beschleunigt und zu dramatischen Bestandsrückgängen geführt. Bodenerosion und Gewässerbelastungen durch Stoffeinträge stellen heute große Probleme in der landwirtschaftlich genutzten Kulturlandschaft dar.
Viele naturschutzfachlich wertvolle Lebensräume sind derzeit durch Stoffeinträge belastet, Kreisläufe funktionieren nicht mehr oder nur noch bedingt. Diese in aller Kürze skizzierten Rahmenbedingungen waren Anlass für den Lehrgang „Vielfalt in der Agrarlandschaft“. Das Konzept des Lehrganges verfolgte dabei zwei Zielsetzungen. In Form einer Kooperationsveranstaltung mit der FüAk sollten zum einen Mitarbeiter aus dem Geschäftsbereich Landwirtschaft mit denen aus dem Geschäftsbereich Naturschutz zusammengebracht werden, um die Thematik gemeinsam zu diskutieren. Zum anderen war es fachliches Ziel herauszuarbeiten, wie zentrale landschaftliche Prozesse funktionieren, welche Rolle sie spielen und wie diese letztendlich mit den Anliegen von Landbewirtschaftung und Naturschutz synchronisiert werden können.
Landnutzung, Nährstoffmanagement und Artenvielfalt – ein Überblick und Zusammenhänge
Einen Überblick über den sehr komplexen Themenbereich verschaffte Jörg Böhmer, vom Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) an der Hochschule Trier. Das IfaS mit Sitz am Umwelt-Campus Birkenfeld (Null-Emissions-Campus) beschäftigt sich mit der Analyse von Stoff- und Energieströme auf regionaler und betrieblicher Ebene und leitet daraus Optimierungspotenziale und Umsetzungsstrategien ab. Übergeordnetes Ziel dabei ist, die aus der Landnutzung generierte Wertschöpfung zu erhöhen und dabei gleichzeitig die Umweltbelastungen zu senken.
Mit spannenden Statistiken zeigte Böhmer aktuelle zentrale Problemstellungen auf. So führen Wachstum und fortschreitende Spezialisierung in der Landwirtschaft zu einer Verringerung der Anbauvielfalt. Mit Sorge sei in diesem Zusammenhang auch die zunehmende Spezifizierung im Ökolandbau zu sehen. Letztendlich resultiert insbesondere auch im Hinblick auf den Klimawandel eine Erhöhung des betrieblichen Risikos. Gegenmodelle wie Direktvermarktung und die Strategie der Veredelung von Produkten sind zwar vorhanden, aber in der Regel deutlich aufwendiger. Laut Böhmer stellt der Anbau nachwachsender Rohstoffe einen lösungsorientierten Ansatz dar.
Mehrnutzungskonzepte nach dem Motto „Multifunktionalität in der Landnutzung zeitgemäß umsetzen“, könnten dabei einen gangbareren Weg darstellen. Ziel ist es, aus einer einzelnen Nutzfläche einen vielschichtigen Nutzen zu erzielen. Anhand der Analyse von Versuchsflächen legte Böhmer dar, dass sich aus Agroforstsystemen ein Mehrwert für Energie und Rohstoffe, für Lebensraum für Flora und Fauna, für das Trinkwasser, für Nahrungsmittel und für Erholungsnutzung erzielen lässt. Die Landnutzungsstrategie ließe sich demnach wie folgt auf den Punkt bringen „Vielfalt im Raumverbund- mehr Agrobiodiversität = mehr ökologische Leistungen“.
Abgerundet wurde der Vortrag durch konkrete Projektbeispiele. Die Überschrift (Trink)Wasserschutz durch Biogastechnik machte die Zuhörer neugierig. Böhmer präsentierte das Konzept der Biogasanlage „Marsberg-Leitmar“. Diese wurde von den Stadtwerken Marsberg vorrangig aus Wasserschutzgründen und nicht nur zur Energieerzeugung errichtet. Eine zentrale Komponente des technischen Konzeptes ist die Verwendung eines Teils der Wärme der Anlage für die Hygienisierung der Gärreste aus Wirtschaftsdüngern und Energiepflanzen. Die Ausbringung des in der Biogasanlage behandelten Wirtschaftsdüngers (Gülle und Stallmist) erfolgt dann nur noch während der Wachstumsperiode vom 15. Februar bis 31. Juni. Laut Böhmer ein sinnvolles Beispiel dafür, wie sich moderne Technik zielgerichtet für Belange des Ressourcenschutzes einsetzen lässt.
Ein weiteres bemerkenswertes Beispiel stellte Böhmer unter der Überschrift „Null-Emissions-Gemeinden – integriertes Energie- und Landnutzungskonzept Bisterschied“ vor. Erster Anknüpfungspunkt war hier der Bedarf einer Heizungserneuerung für Bürgerhaus und Kindergarten. Gleichzeitig machte die Gemeinde Schlagzeilen, weil die zunehmenden Starkregenereignisse den Ort mit starken Hochwässern heimsuchten. Im Rahmen der Analyse der Hochwasserschäden wurde ersichtlich, dass vor Ort bestehenden Agrarholznutzungen einen wichtigen Beitrag zum Erosionsschutz sowie zum kontrollierten Wasserablauf geleistet hatten. Es entstand so das Konzept durch eine Ausdehnung der Anbauflächen für Agrarholz die kommunale Daseinsvorsorge mit Umwelt- und Klimaschutz sowie mit Wertschöpfung und Wirtschaftsförderung zu verbinden.
Nachhaltige Landnutzung gestalten – Menschen bewegen
Einen wichtigen Blickwinkel brachte Herr Bäuml vom Amt für Ländliche Entwicklung, München in die Veranstaltung ein, nämlich mit einem Zitat von Rob Hopkins, dem Gründer der „Transition-Bewegung“:
„Was uns fehlt sind nicht die fachlichen Konzepte, sondern die sozialen Werkzeuge, um Menschen zu bewegen.“ Anhand der Vorstellung gelungener Projekte und Initiativen, die meist von einzelnen motivierten Menschen angestoßen wurden, verdeutlichte Herr Bäuml das Zitat. Vorgestellt wurden die Bürgeraktiengesellschaft „Regionalwert AG“ mit seinem Vorstandsvorsitzenden Christian Hiß, das Beispiel der Agrokraft GmbH mit seinem Geschäftsführer Michael Distel, das Konzept des von Ludwig Pertl vom AELF Fürstenfeldbruck vorangetriebenen „Mehrnutzensystem Energiewälder“, einzelbetriebliche Landnutzungskonzepte, wie sie von Max Stadler, AELF Pfaffenhofen ander Ilm, propagiert und demonstriert werden und weitere mehr.
Zudem strich Herr Bäuml die große Bedeutung der sogenannten „Supportive Leader“ heraus. Diese generieren aus Ideen wirkungsvolle Projekte, indem sie für punktgenaue Vernetzung sorgen und die richtigen Leute zusammenbringen. Anschließend erläuterte Herr Bäuml die Initiative „boden:ständig“ sowie das Konzept der Ökomodellregionen mit kurzen prägnanten Ausführungen, da diese Thematik den Anwesenden größtenteils bekannt war. Er stellte dabei insbesondere auch in diesem Rahmen die große Bedeutung der „Supportive Leader“ und des „Miteinander“ heraus. Insbesondere dort, wo engagierte Landwirte und Gemeinden gemeinsam wirken, entstehen neue Umsetzungsmaßnahmen in den Bereichen innovative Bodenbewirtschaftung, Pufferstrukturen in der Landschaft und ökologisch funktionsfähige Gewässer.
Die Wasserberater Bayerns - landwirtschaftliche Beratung im Sinne der WRRL
Eingangs erläuterte Herr Nüßlein von der LfL die Zielsetzung der EU Wasserrahmenrichtlinie und stellte dabei das vorrangige Umweltziel der Richtlinie, einen guten ökologischen und chemischen Zustand aller Gewässer zu erreichen, heraus. Ein Blick auf den Zeitplan für die Umsetzung zeigt, dass auch in Bayern noch einige Anstrengungen unternommen werden müssen. Aktuell läuft bereits der zweite 6-Jahres-Zyklus zur Bearbeitung der Bewirtschaftungspläne und bei einigen Gewässern ist die Zielerfüllung noch in weiter Ferne. Herr Nüßlein führte aus, dass das Bayerische Landesamt für Umwelt die fachlichen Grundlagen zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in Bayern bereitstellt und für die fachliche Koordinierung bei der Aufstellung und Fortschreibung der Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme sorgt.
Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist mitsamt den zum Geschäftsbereich gehörigen, einschlägig zuständigen Fachbehörden verantwortlich für die Maßnahmenplanung und -umsetzung, soweit es die Nutzung land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen betrifft. Eine zentrale Bedeutung bei der Maßnahmenumsetzung im Bereich Landwirtschaft kommt den Wasserberatern zu. Herr Nüßlein legte dar, dass nach wie vor Bodeneintrag als auch Stoffeinträge (vorrangig Phosphor, Nitrat und Pflanzenschutzmittel) die großen Problempunkte sind. Die Beratungsschwerpunkte setzen hier an und umfassen folgende Aspekte:
- Inhalte und Umsetzungsmöglichkeiten von Maßnahmen
- Vermeidung von Nährstoffeinträgen in Grund- und Oberflächengewässer
- Zwischenfruchtanbau und Erosionsschutz
- Düngemanagement
- Einhaltung rechtlicher Vorgaben bei Düngung und Pflanzenschutz
- Förderungsmöglichkeiten, insbesondere KULAP und Greening
Mit anschaulichen Bildern zeigte Herr Nüßlein, in welcher Form die Beratung umgesetzt wird, so zum Beispiel:
- Im Rahmen von Informationsveranstaltungen (Pflanzenbautage) und Gruppenberatungen
- Über Demonstrationsanlagen
- Maschinenvorführengen
- Felderbegehungen
- Einzelberatungen
Die Wasserberater hegen dabei eine intensive Zusammenarbeit mit allen Akteuren und betreiben professionelle Öffentlichkeitsarbeit.
In seinem Fazit kam Herr Nüßlein zu dem Schluss, dass die kompetente Beratungsarbeit der Wasserberater für die Umsetzung von gezielten Maßnahmen unverzichtbar ist. Das KULAP stellt dabei den zentralen Werkzeugkasten für die Umsetzung gezielter Maßnahmen dar. Zusätzlich können Greening-Maßnahmen die Anstrengungen der Wasserberater unterstützen. Abschließend wies Herr Nüßlein darauf hin, dass die Beratung in jedem Falle erhalten und im Hinblick auf einen noch größeren Wirkungsgrad ausgebaut werden sollte.
Abgestufte Wiesennutzung – ein Beitrag zu mehr Artenvielfalt auf Wiesen und Weiden
Martin Hermle, selbst aktiver Landwirt, berät seit vielen Jahren Bioland-Erzeuger im Allgäu. Er stellte das Prinzip der abgestuften Wiesennutzung vor, das bislang keinem der Teilnehmenden bekannt war. Einige grundsätzliche Überlegungen und die Darstellung der Entwicklungen der Milchviehhaltung und Grünlandbewirtschaftung zeigen, dass die Ansprüche an das Grundfutter seit den 1970er Jahren enorm gestiegen sind. Das Zusammenspiel von Nutzung und Düngung führt dabei immer wieder zu Problemen. Der Landwirt gerät in einen Zielkonflikt, da die größtmögliche Produktivität des Standorts nur auf Kosten der Biodiversität erreicht werden kann. Das System der abgestuften Grünlandnutzung nach Walter Dietl kann hier Lösungsansätze bieten.
Kern der Überlegungen ist, dass auch in einem intensiv wirtschaftenden Betrieb Grünlandfutter mit niedrigerem Nährstoffgehalt eingesetzt werden kann und zwar mit einem Gesamtanteil von 20 bis 30 % in der Gesamtration der Rinderhaltung. Eine teilweise Extensivierung auf ausgewählten Flächen ist demnach denkbar. IBALIS stellt ein gutes Hilfsmittel zum Auffinden geeigneter Flächen dar. Herr Hermle empfiehlt ein schrittweises Vorgehen: zunächst werden die Pflanzenbestände analysiert und Flächen erhoben, die zu intensiv bewirtschaftet werden (Übernutzungszeiger etc.). Mögliche Extensivierungsflächen werden identifiziert und die Umsetzung wird geprüft, danach werden Extensivierungs- und gegebenenfalls auch Intensivierungsflächen festgelegt.
Nach Erfassung der hofeigenen Düngermenge wird die Düngezuteilung (neu) geplant, auch Nachsaaten werden in Betracht gezogen. Viele Gründe können den Landwirt zur Neuordnung seiner Bewirtschaftungsintensitäten überzeugen: Standortgerechte Bewirtschaftung und eine bessere Düngerverteilung ermöglichen bessere Pflanzenbestände, Arbeitsspitzen werden durch die teilweise Extensivierung gebrochen, damit können Arbeitszeit und Energiekosten eingespart werden.
Zusätzlich wird die Attraktivität des Landschaftsbildes gefördert und ein aktiver Beitrag zur Artenvielfalt geleistet. Dies verbessert nicht nur das Image der Landwirtschaft, sondern ermöglicht unter Umständen auch eine Prämienoptimierung. Allerdings besteht noch großer Forschungs- und Handlungsbedarf, um das Konzept in die Fläche zu bringen. Wissenschaftlich abgesicherte ökonomische und ökologische Bewertungen fehlen bislang insbesondere in langfristiger Betrachtung. Eine Weiterentwicklung des KuLaP und eine Beratungsoffensive sind außerdem nötig, um die Landwirte von einer abgestuften Wiesennutzung leichter überzeugen zu können.
Zentrale Ergebnisse aus ELKE
In seinem zweiten inhaltlichen Block stellte Herr Böhmer vom IfaS die zentralen Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt ELKE vor. Elke steht als Abkürzung für: Entwicklung extensiver Landnutzungskonzepte für die Produktion nachwachsender Rohstoffe als mögliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Das Projekt verfolgt die Zielsetzung, wie Landbausysteme mit Kulturen von nachwachsenden Rohstoffen als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in der naturschutz- und baurechtlichen Eingriffsregelung anerkannt werden können. Ziel ist es nachzuweisen, dass Naturschutz durch Landbau möglich ist, indem mittels gezielter Entwicklung produktiver zum Teil neuer Kulturen eine nutzungsbedingte Biodiversität etabliert wird.
Letztendlich geht es dabei um die Synthese von effizienter extensiver Biomasseproduktion und der Förderung von Naturschutzleistungen. Zentrale Ergebnisse der Feldversuche aus den Jahren 2010 bis 2012 zeigen vielversprechende Erkenntnisse:
- Dichte und Vielfalt von Arten hat zum Teil bei einzelnen Artengruppen um ein Vielfaches zugenommen
- Spezielle Lebensraumfunktionen insbesonders für einen Biotopverbund und Teillebensräume von mobilen Arten konnten nachgewiesen werden
- Ein verändertes und im Jahresverlauf verteilt anhaltendes Blüten- und Samenangebot konnte insbesonders in jungen Agrarholzbeständen (1 bis 2jährig), aber auch in einjährigen und überjährigen krautigen Kulturen nachgewiesen werden
- Eine gezielte Förderung von Segetalarten konnte durch veränderte Bewirtschaftungsmaßnahmen nachgewiesen werden
- ELKE-Kulturen fördern so die genetische Vielfalt wildlebender Pflanzen und Tiere des Maßnahmenraumes
Weiterhin konnte beobachtet werden, dass durch die Förderung von Nützlingen eine natürliche biologische Schädlingskontrolle stattgefunden hat. Zudem ging ELKE auch auf das Thema Landschaftsbild ein. Hierbei konnte festgestellt werden, dass der Erlebniswert von Landschaften durch bestimmte Gliederungsaspekte hochwachsender Gehölze sowie durch erntebedingt veränderte Sichthöhen und -achsen gesteigert werden kann.
Zusammenfassend stellte Böhmer dar, dass durch ELKE ein Mehrwert für die natürlichen Ressourcen erzielt werden kann:
- Gewässerschutz (Verminderung der Nährstoffeinträge)
- Erhalt der Bodenfunktionen (Erosionsminderung, Humusaufbau)
- Kohlenstoffspeicherung (Humusaufbau, CO2-Vermeidung)
- Biotopverbund (Nistmöglichkeiten, Nahrungsquelle, Migrationskorridor)
Biotopverbund Günztal – Biodiversität in einer intensivlandwirtschaftlichen Region
Unterschiedliche Nutzungsintensitäten an der östlichen Günz – intensives Grünland und orchideenreiche Streuwiesen nebeneinander
Peter Guggenberger-Waibel stellte als Projektleiter den Biotopverbund Günztal vor, der auch Themenschwerpunkt der Exkursion war. Das Günztal stellt sich als eine intensivlandwirtschaftliche Region dar. Das Unterallgäu ist der Landkreis mit den meisten Rindern in Bayern, das bedeutet 143.000 Rinder in 2.500 Betrieben. 5 bis 7 Grünland-Nutzungen pro Jahr führen zu einem hohen qualitativen und quantitativen Grünlandverlust.
Naturschutzbedeutsame Flächen sind in der Regel selten, klein und verinselt. Die Mehrzahl der aktiven Landwirte sind Vollerwerbsbetriebe mit immer weiter sinkender Bereitschaft an einer „Sonder-behandlung“ von Naturschutz-Flächen mitzumachen.
Das spiegelt sich auch in einem fortschreitenden Verlust an Vertragsnaturschutzflächen in den letzten 15 Jahren wider, während die Ackerflächen über 400 % der Fläche zugenommen haben. Das vorgestellte Projekt entwickelt in diesem Spannungsfeld ein Biotopverbundsystem entlang der Talauen im Günztal und in den größeren Seitentälern. Ziel ist es, möglichst durchgängige, naturnahe Fließgewässerachsen als Verbundkorridore geschaffen werden. Dabei spielt auch die Neuanlage von Auegewässern eine Rolle. Entlang der Gewässerachsen entstehen großflächige Feuchtwiesen-„Kerngebiete“ sowie Trittsteinflächen zwischen den Kerngebieten. Hier wird eine Extensivierung angestrebt. Beweidung wird als ein wichtiges Instrument wieder eingeführt, da sie in besonderem Maß dazu dienen kann Flächen nicht zu vereinheitlichen sondern zu „verunterschiedlichen“.
Sowohl Gewässer als auch Gehölzstrukturen können auf einer beweideten Fläche integriert werden und sind vielfach sogar erwünscht. Durch den Einsatz der bedrohten Nutztierrasse „Original Allgäuer Braunvieh“ unter dem besonderen Label „Günztal Weiderind“ ergeben sich interessante Synergien im Hinblick auf Vermarktung und Öffentlichkeitswirksamkeit. Besonderes Augenmerk der Projektarbeit gilt außerdem dem Moorschutz sowie speziellen Artenschutzaufgaben wie dem Erhalt des Bayerischen Löffelkrauts oder der Bachmuschel.
Eine Herde Original Allgäuer Braunvieh an der Östlichen Günz
Wichtige Partner des Biotopverbundprojekts sind neben der Stiftung KulturLandschaft Günztal die Landwirtschaft, Landschaftspflegeverbände, weitere Vereine und Verbände, ehrenamtliche Aktive und professionelle Manager, Fachbehörden und Verwaltungen, der Landkreis und die Gemeinden sowie die Wirtschaft, Sponsoren und sonstige Unterstützer.
Auf der Exkursion wurde anhand verschiedener Beispiele deutlich wo Erhalt und Förderung der biologischen Vielfalt im Günzgebiet bereits erfolgreich stattfinden und wo aktuell noch Probleme liegen. Lediglich 1,1 % der Gebietsfläche des Günztals werden von Naturschutzgebieten eingenommen, in der Summe 799 Hektar.
An 4 Beispielorten wurden 4 „Biodiversitätsstadien“ sehr deutlich sichtbar. Das erste Thema „Wiesenvielfalt“ zeigte großflächige unterschiedliche Nutzungsintensitäten. Die Bedeutung der Vernetzung gleichartiger Lebensräume und auch die massive gegenseitige Beeinflussung durch Stoffeinträge aus benachbart liegenden Flächen wurden thematisiert. Öffentliche Förderinstrumente und deren Wirksamkeit in der Region sind teilweise in der Landschaft ablesbar, ebenso die Bedeutung von Stiftungsland im Sinne von Flächenschutz durch Eigentum.
An zwei weiteren Exkursionshaltepunkten wurden Stadien nach 10 und 25 Jahren Entwicklungsarbeit besichtigt: Renaturierung durch Beweidung mit einer Mutterkuhherde des Günztal Weiderinds. Landwirt Andreas Blank erläuterte fachkundig die Stärken des Original Allgäuer Braunviehs. Wie andere Renaturierungsmaßnahmen z.B. die Anlage Auetypischer Strukturen mit Hilfe einer
Flächenagentur und der Umsetzung von Maßnahmen im Rahmen der Eingriffsregelung möglich werden, erläuterte Bernd Nothelfer von der Unteren Naturschutzbehörde.
Herr Nothelfer erläutert das Ausgleichsflächenkonzept an der Westlichen Günz
Am Beispiel des Hundsmoors als „Insel der Artenvielfalt“ wurden die Herausforderungen im Schutzgebietsmanagement nochmals konkretisiert. Wichtige Ziele für die Gebietsentwicklung konnten am Beispiel des 21 Hektar umfassenden Hundsmoors eindrucksvoll gezeigt werden. Das gesamte umgebende Niedermoor (ca. 50 ha) sollte aus der Intensivnutzung genommen werden, die Entwässerungswirkung von bestehenden Strukturen sowie Nährstoffeinträge müssen gestoppt werden und die Vernetzung mit anderen Flächen innerhalb der Gewässerachse soll verbessert werden.
Vernetzung und Kooperationen der verschiedenen Stakeholder sind bei diesen komplexen Fragen entscheidend für den Erfolg. Nur ressortübergreifende Zusammenarbeit ermöglicht auf Landschaftsebene wirksame Konzepte. In diesem Sinne zeigte Herr Kießling vom Landschaftspflegeverband Unterallgäu e.V. im zweiten Teil der Exkursion wie im direkten Kontakt mit den Landnutzern durch wenig aufwendige Lösungen ein Mehrwert für Landnutzung und Natur erzielt werden kann. Der LPV wurde von der Initiative boden:ständig beauftragt, vor Ort die Umsetzung von Projekten anzustoßen und zu begleiten. Als erstes Projektbeispiel wurde ein Maisacker in Hanglage besichtigt, von dem großflächig Oberboden erodiert und in einen nahen Bach verfrachtet wurde. Der Bestand der hier vorkommenden Bachmuschel wurde durch die Stoffeinträge akut gefährdet. In direkten Verhandlungen mit dem Bewirtschafter konnte erreicht werden, dass bachseitige Flächenanteile des Maisackers in Grünland umgewandelt wurden.
Grünland statt Maisacker - Herr Kießling erläutert das Konzept zum Nährstoffrückhalt
Zusätzlich wurden zwei kleinere Sedimentrückhaltebecken angelegt. Durch die Maßnahmen konnte der Bodenabtrag vor Ort zurückgehalten werden. Als zweites Beispiel etwas weiter bachabwärts wurde eine Bachaufweitung vor einem Bachdurchlass verhindert. Obwohl von einigen Landwirten belächelt, bewies die Aufweitung gleich beim ersten Hochwasser ihre Effizienz. Im Umland abgetragener Oberboden inkl. der darin gebundenen Nährstoffe wurde hier sedimentiert.
Eine weitere Verschlammung des Baches kann so vermieden und gleichzeitig das Sediment wieder in den landwirtschaftlichen Nährstoffkreislauf eingebracht werden. Anhand des dritten Beispiels konnte Her Kießling verdeutlichen wie wichtig die Rolle eines Vermittlers vor Ort sein kann. Zugesetzte Drainagen in einem oberhalb liegende Grünland verursachten durch gesteigerte Oberflächenabflüsse Bodenerosion auf einem angrenzenden Acker. Durch Vermittlung und fachliche Beratung konnte Herr Kießling erreichen, dass der Oberlieger auf eigene Kosten die Drainagen spülte und so die Nährstoffausträge von dem unteren Acker gestoppt werden konnten. Abgerundet wurden die griffigen Beispiele durch einen kuriosen Gewässerrandstreifen an einem Maisacker. Da dieser gerade am Geländetiefpunkt nicht komplett durchgängig angelegt wurde, erwies sich die Maßnahme im aktuellen Zustand als wenig effizient. Herr Kießling zeigte sich allerdings sicher, dass durch entsprechende Verhandlungen mit der zuständigen Fachbehörde sowie mit dem Landwirt eine Lösung gefunden werden wird.
Unterbrochener Gewässerrandstreifen am Maisacker
Fotos: Hannes Krauss, ANL
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