FUNDGRUBE Naturschutz: Aktivitäten des Bayerischen Artenschuzzentrums
In dieser Sonderausgabe der Fundgrube Naturschutz gibt Ihnen das Team des Bayerischen Artenschutzzentrums einen Einblick in seine aktuellen Aktivitäten.
In dieser Sonderausgabe der Fundgrube Naturschutz gibt Ihnen das Team des Bayerischen Artenschutzzentrums einen Einblick in seine aktuellen Aktivitäten.
(Carolin Wagner & Andreas Zehm) Mit beigem Sonnenhut, einer Lupe um den Hals, dem Bestimmungsbuch einsatzbereit in der Hand und chronisch in gebückter Haltung, so waren sie in allen Lebensräumen Nordschwabens unterwegs. Zahlreiche Bilder belegen wie es diese sympathischen Menschen geschafft haben in 25 Jahren mühsamer Kartierarbeit ein so umfangreiches wie informatives Werk über die Pflanzen der bayerischen Landkreise Dillingen und Donau-Ries zu erarbeiten. In der „Flora von Nordschwaben“ – stellvertretend für die Arbeitsgemeinschaft Flora Nordschwaben e. V. bearbeitet von Brigitte und Jürgen Adler sowie Günther Kunzmann – dokumentieren sie auf 816 Seiten in Karten und kurzen, präzisen Steckbriefen alle rund 1.900 Pflanzenarten, die sie in Nordschwaben finden konnten. Neben „Allerweltsarten“ und floristischen Kostbarkeiten, wie der endemischen Ries-Mehlbeere (Sorbus fischeri), kommen dabei sogar die nur von wenigen Experten bearbeitbaren, bestimmungskritischen Arten zur Darstellung (beispielsweise Löwenzahn, Brombeere und Gold-Hahnenfuß).
(Bernhard Hoiß) iFlora ist eine Bestimmungs-App für Smartphones. Sie ist die erste ihrer Art, welche den Anspruch hat, die Flora Deutschlands abzudecken. Der Vorteil von Bestimmungs-Apps liegt darin, dass sie spontane Bestimmungen ermöglichen, ohne dass dicke Bücher mitgeschleppt werden müssen. Durch kontinuierliche Updates bleiben die Inhalte immer auf dem neuesten Stand. Durch die interaktive Bedienung können beliebige Bestimmungsmerkmale kombiniert werden, um schnell zum Ziel zu kommen. Der Benutzer kann anders als in den sonst üblichen gegabelten (dichotomen) Schlüsseln die Reihenfolge der Merkmale selbst auswählen, anhand derer er sein Studienobjekt bestimmen will.
(Helena Muschke) Stadt und Natur, für viele Menschen haben diese Begriffe eine fast schon gegensätzliche Bedeutung. Doch wer sich in der Stadt aufmerksam umsieht wird bemerken, wie viele verschiedene Lebensräume und Arten in urbanen Räumen zu finden sind. Gisela Tubes Werk richtet sich an Kindergärtner/-innen und Grundschullehrer/-innen, welche mit ihren Kindern die Vielfalt der städtischen Natur entdecken möchten.
Das Werk gliedert sich nach urbanen Lebensräumen und ihren Bestandteilen. So werden den Straßenbäumen oder Hecken an „Straßen und Wegen“ typische Pflanzen oder Tiere zugeordnet. Mit verschiedenen Spielideen können Kinder diese Klein- und Kleinstlebensräume spielerisch auskundschaften und erkunden.
Optisch ist dem Leser einiges geboten. Das Werk beinhaltet viele hochwertige Fotos, -die nicht nur die Pflanzen zeigen, sondern diese tatsächlich im städtischen Umfeld präsentieren.
Aus dem Titel des Buches oder der abgebildeten Fotocollage geht leider kaum hervor, dass das Buch vor allem zur Anregung für die Kinderbetreuung verfasst wurde. Nur wer die Vorderseite des Einbandes aufmerksam betrachtet kann erahnen, dass es sich um ein Werk handelt, welches sich an eine bestimmte Zielgruppe wenden möchte: Betreuer von Kindergruppen aller Art im städtischen Raum. Da das DIN-A 4-Format als exkursionsbegleitendes Buch zu unhandlich ist, ist es eher für die Vorbereitung von Aktivitäten am Schreibtisch zu empfehlen. Betreuer mit einem geringen Artenwissen sollten hier während der Exkursion mit einem handlichen Bestimmungsbuch arbeiten. Auch der Fließtext ist für die schnelle Erfassung von Informationen nicht geeignet. Die Artbeschreibungen sind allgemein gehalten und erlauben einen ersten, schnellen Einstieg in die Materie. Die Texte sind leicht verständlich formuliert und werden an einigen Stellen durch interessante, teilweise historische Informationen aufgewertet. So erfährt der Leser beispielsweise, dass die Königskerze ihren Namen dadurch bekommen hat, dass sie – als Ganzes in Pech getaucht – früher auch als Kerzen- oder Fackelersatz diente.
Titelseite des Artikels über die Auswirkungen von wechselnder Nutzungsintensität auf Artenreichtum in ANLiegen Natur.
Steffen Boch, Eric Allan, Klaus Birkhofer, Oliver Bossdorf, Nico Blüthgen, Sabina Christ-Breulmann, Tim Diekötter, Carsten F. Dormann, Martin M. Gossner, Christine Hallmann, Andreas Hemp, Norbert Hölzel, Kirsten Jung, Valentin H. Klaus, Alexandra M. Klein, Till Kleinebecker, Markus Lange, Jörg Müller, Heiko Nacke, Daniel Prati, Swen C. Renner, Christoph Rothenwöhrer, Peter Schall, Ernst-Detlef Schulze, Stephanie A. Socher, Teja Tscharntke, Manfred Türke, Christiane N. Weiner, Wolfgang W. Weisser, Catrin Westphal, Volkmar Wolters, Tesfaye Wubet und Markus Fischer
Extensive und jährlich wechselnde Nutzungsintensität fördert den Artenreichtum im Grünland
Landnutzungsintensivierung ist einer der Hauptgründe des drastischen Rückgangs der Biodiversität im Grünland. Anhand eines umfangreichen Datensatzes von insgesamt 150 Grünland-Untersuchungsflächen aus den Biodiversitäts-Exploratorien untersuchten wir deshalb die Auswirkungen von Landnutzungsintensität und deren Veränderungen über die Jahre auf die Gesamtdiversität von bis zu 49 Pflanzen, Tiere, Pilze und Bakterien umfassenden Artengruppen.
Titelbild des ersten Bandes vom „Management-Handbuch zum Umgang mit gebietsfremden Arten in Deutschland“.
(AZ) Invasive Neophyten sind faszinierende Pflanzen, nicht zuletzt, da es ihnen trotz der scheinbar geringen Ausbreitungsfähigkeit von Pflanzen gelingt, in kurzer Zeit größere Distanzen zu überbrücken und in großen Mengen aufzuwachsen. Zudem stellen viele Arten, wenn sie erst einmal etabliert sind und beginnen, die gewachsene biologische Vielfalt zu bedrängen, einen ernstzunehmenden Gegner dar. Einfach absägen hilft oft nicht, sondern fördert in vielen Fällen sogar die lokale Ausbreitung. Daher ist es höchst zu begrüßen, dass das Bundesamt für Naturschutz nun ein Werk vorgelegt hat, welches anhand von Praxiserfahrungen verschiedene Möglichkeiten bewertet, wie invasiven Arten Einhalt geboten werden kann. Insgesamt werden 88 invasive oder potenziell invasive Pilz- und Pflanzenarten bewertet – dabei werden Pilze, Niedere Pflanzen und Gefäßpflanzen erstmals zusammenfassend in einem Werk bearbeitet.
In einer Umfrage wurden alle verfügbaren Erkenntnisse und Erfahrungen zu bislang eingesetzten Maßnahmen zusammengetragen und hinsichtlich ihrer Wirkung und Effizienz bewertet. Um für jede Art ein wirksames Gesamtmanagement vorschlagen zu können, werden neben einem allgemeinen Teil jeweils Vorsorge, Beseitigung, Kontrolle sowie Nutzung/Entsorgung abgehandelt, schon, da eine unsachgemäße Entsorgung neue Problemstellen schaffen kann. Die Blöcke sind dabei stark schematisch in tabellarischer Form gegliedert in empfehlenswerte, unter bestimmten Bedingungen empfehlenswerte, unbekannte und nicht empfehlenswerte Ansätze, was die Darstellung teilweise leider unerfreulich deutlich aufbläht. Ergänzt wird jedes Artkapitel sowohl durch eine Beschreibung der Invasivität und der Auswirkungen auf die biologische Vielfalt als auch durch eine zwar unvollständige, aber dennoch erfreulich umfangreiche Literaturliste. Insgesamt konnten rund 3.600 Maßnahmen geprüft und bewertet werden, wobei immerhin 1.900 Ansätze als „empfehlenswert“ eingestuft wurden.
Das Logo der Offenen Naturführer (ON) deutet bereits die modulartig aufgebauten Bestimmungshilfen an, die im Wiki der ON für verschiedene Artengruppen vorhanden oder noch geplant sind (Logo: Andreas Plank).
(PBN) Die Vision der Offenen Naturführer (ON) ist es, durch die Zusammenarbeit von Expertinnen und Experten und engagierten Laien nicht nur frei verfügbare, sondern die besten Bestimmungshilfen im deutschsprachigen Raum zu entwickeln. Das Ziel könnte nicht höher gesteckt sein. Doch das Angebot kann sich bereits sehen lassen.
Insbesondere die Bestimmungshilfen für bestimmte Tiergruppen, wie Amphibien und Reptilien, kann auch für die professionelle Anwendung herangezogen werden. Andere Schlüssel bieten vor allem für interessierte Laien eine übersichtliche und bedienungsfreundliche Hilfestellung. So kann beispielsweise für „häufige Vögel in Gärten und Siedlungen“ ein interaktiver Bestimmungsweg gewählt werden, der Schrittweise zum Ergebnis führt und insbesondere Gesangsmerkmale heranzieht, die mit bereitgestellten Rufaufnahmen verglichen werden können. Seit Kurzem können die Bestimmungshilfen auch vom Smartphone oder Tablet genutzt werden.
Am Beispiel von Magerrasen bei Göttingen wurde deutlich, dass auch mit einem System zahlreicher Kleinflächen die biologische Vielfalt effektiv geschützt werden kann. Gesucht werden Konzepte, wie Kleinflächen dauerhaft erhalten werden können (Foto: Christoph Scherber).
(Teja Tscharntke) Eine Studie der Universität Göttingen belegt, dass viele kleine Schutzgebiete die biologische Vielfalt effektiv schützen können – oft besser als wenige große Schutzgebiete gleicher Gesamtfläche. Damit wird deutlich, dass im Naturschutz auch kleine Flächen beachtet werden sollten und Schutzkonzepte für kleine Flächen zu entwickeln sind.
Viele kleine Lebensräume können sehr viel mehr Arten schützen als wenige große Lebensräume – selbst wenn letztere eine größere Gesamtfläche umfassen. Das haben Agrarökologen der Universität Göttingen aktuell anhand der Lebensgemeinschaften von Kalkmagerrasen gezeigt und in der Fachzeitschrift Oecologia veröffentlicht. Die zunehmende Zerstörung und Verkleinerung naturnaher Lebensräume in unseren Kulturlandschaften stellt zwar eine wichtige Ursache für den kontinuierlichen Artenverlust dar, aber je weiter Lebensrauminseln voneinander entfernt liegen, umso unterschiedlichere Lebensgemeinschaften beherbergen sie. Diese Unterschiede mit zunehmender Distanz zwischen den Inseln sind für die Artenvielfalt viel wichtiger als der Artengewinn durch größere Lebensräume.
(AZ) „Viele Jahre lang haben wir bei unseren Streifzügen durch die Natur unser Hauptaugenmerk auf die Botanik gerichtet. (…) Bei unserer Suche nach den Bewohnern, Freunden und Feinden (der Pflanzen) hatten wir zeitweise den Eindruck, bisher blind durch die Natur gelaufen zu sein. Warum war uns diese riesige Vielfalt noch nicht aufgefallen“, so Auszüge aus dem Vorwort zu dem Buch, die gut den Grundinhalt des Buches treffen. Endlich mal ein Buch, das nicht bei Pflanzen oder Tieren allein stehenbleibt, sondern die unendlich vielen spannenden Beziehungen zwischen den Partnern in den Vordergrund stellt. So lädt das Buch ein, sich intensiver mit vordergründig Bekanntem zu beschäftigen und neue Welten zwischen Symbiose und Parasitismus zu entdecken. Neben bekannten Beispielen, wie dem Ameisenbläuling oder den Brennesselfaltern, finden sich zahlreiche eher unbekannte Zusammenhänge, die es in der richtigen Jahreszeit zu beobachten gilt. So gilt es der Trollblume tiefer in die Blütenhülle zu schauen, den Minibrokkoli der Hauhechel zu finden, Minien zu verfolgen, in Gallen zu spicken, Raupen von der Pflanze zu schubsen, Gesellschaften zu finden, in denen über eine Frauenquote unter 100 % extra diskutiert werden muss, die Mathematik des Schneckenfraßes zu verstehen oder kleine pflanzliche Heizöfen zu finden, um nur einige Beispiele zu nennen.
Lothar Frese
Erhalt der genetischen Vielfalt wildlebender Verwandter unserer Kulturarten (WVK) in ihren natürlichen Lebensräumen
Mit Kulturpflanzen verwandte Wildarten sind eine wichtige, unverzichtbare und zugleich gefährdete genetische Ressource der Pflanzenzüchtung. Indem genetische Erhaltungsgebiete in ihrem natürlichen Lebensraum eingerichtet werden, kann die Erhaltung dieser ökonomisch bedeutenden Artengruppe und der biologischen Vielfalt verbessert werden.
Weitere Artikel: