FUNDGRUBE Naturschutz: Aktivitäten des Bayerischen Artenschuzzentrums
In dieser Sonderausgabe der Fundgrube Naturschutz gibt Ihnen das Team des Bayerischen Artenschutzzentrums einen Einblick in seine aktuellen Aktivitäten.
In dieser Sonderausgabe der Fundgrube Naturschutz gibt Ihnen das Team des Bayerischen Artenschutzzentrums einen Einblick in seine aktuellen Aktivitäten.
Roman Lenz, Angelika Jany und Patrick Kaiser
Indikatorenset zur Evaluierung der Gesetzesnovelle zum Volksbegehren „Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern“
Ausgehend vom erfolgreichen Volksbegehren „Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern“ wurde ein Indikatoren-Set entwickelt, das die Umsetzung des neuen Naturschutz- und Begleitgesetzes sowie der Landtagsbeschlüsse in Bayern über einen Zeitraum von zehn Jahren bilanzieren soll. Aus den beschlossenen Maßnahmen wurden 32 Indikatoren abgeleitet, mithilfe deren Erhebung und Bewertung ein langfristiges Monitoring-Konzept entwickelt werden soll.
Summary
Indicators to evaluate the amendment to the referendum on “Biodiversity and natural beauty in Bavaria”
Based on the successful referendum „Biodiversity and natural beauty in Bavaria“, a set of indicators was developed that is intended to make up the balance of the implementation of the new nature conservation law as well as the resolutions of the state parliament in Bavaria over a period of ten years. 32 indicators were derived from the agreed measures, with the help of which a long-term monitoring concept is to be developed by collecting and evaluating them.
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(Monika Offenberger) Basis jeglicher Naturschutzarbeit sind verlässliche Informationen über das Vorkommen und die Bestandsentwicklung ausgewählter Tier- und Pflanzenarten. Zur Datenerhebung werden vermehrt Spürhunde herangezogen. Eine Auswertung von 1.220 Publikationen über Hunde-Einsätze in mehr als 60 Ländern zeigt: Spürhunde sind um ein Vielfaches effektiver und sicherer beim Auffinden von Organismen oder deren Hinterlassenschaften als Menschen und technische Hilfsmittel.
Such- und Rettungshunde sind in vielen Bereichen unverzichtbare Helfer beim Auffinden von Menschen. Mit ihren feinen Nasen riechen sie Tote oder Vermisste und finden Lawinenopfer noch unter einer vier Meter dicken Schneedecke. Auch beim Naturschutz macht man sich schon seit Langem Spürhunde zunutze: 1890 suchte der neuseeländische Biologe Richard Henry mit Hilfe eines Hundes nach flugunfähigen Vögeln wie Kiwis und Kakapos, um sie vor der Ausrottung durch eingeschleppte Ratten zu bewahren.
Die meisten Substanzen werden bei heutigen Bewertungen der Gewässerqualität nicht berücksichtigt. Das Forscherkonsortium SOLUTION versucht die Überwachung und Bewertung der Wasserqualität europaweit zu verbessern (Foto: André Künzelmann).
(Monika Offenberger) Die Konzentrationen bestimmter Schadstoffe werden in den europäischen Gewässern überwacht. Doch wie wirken die Chemikalien in Kombination miteinander auf die Artengemeinschaft und wie schädlich sind die derzeit nicht kontrollierten Stoffe im Wasser? Ein internationales Forschungsteam aus mehr als 100 Wissenschaftlern hat neue Methoden zur Kontrolle der chemischen Wasserqualität erarbeitet und Möglichkeiten für die Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse aufgezeigt.
Chemische Substanzen aus Landwirtschaft, Industrie und Haushalten beinträchtigen die Qualität europäischer Gewässer, schädigen deren aquatische Ökosysteme, vermindern die Artenvielfalt und gefährden die menschliche Gesundheit. Um diesen negativen Entwicklungen entgegenzutreten, wurde im Jahr 2000 die EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) durch die europäischen Mitgliedsstaaten beschlossen; sie zählt zu den weltweit strengsten Regelwerken ihrer Art. Seither wird der chemische Zustand eines Gewässers anhand von 45 Einzelstoffen bewertet. Weitere 67 Stoffe, die besonders schädlich für Tiere und Pflanzen sind, werden im Rahmen der ökologischen Zustandsbewertung gemessen. Das ist jedoch nur ein Bruchteil von den insgesamt mehr als 100.000 verschiedenen chemischen Substanzen, die aktuell in die Gewässer gelangen. Die meisten Substanzen werden bei der Bewertung der Gewässerqualität also gar nicht berücksichtigt. Darüber hinaus lässt sich durch die Messung der Einzelstoffe keine Aussage treffen, wie gefährlich der Schadstoff in der Umwelt in Kombination mit anderen wirkt. Wie kann man also die Überwachung und die Bewertung der chemischen Wasserqualität europaweit verbessern, ohne dass die Kosten explosionsartig steigen?
Nicht nur in Deutschland nimmt die Anzahl und die Arten der Insekten rapide ab – diese erschreckende Entwicklung ist ein weltweites Problem (Foto: Bernhard Hoiß).
(Monika Offenberger) Weltweit geht die Insektenfauna in erschreckendem Tempo und Ausmaß zurück. 41 Prozent aller Insektenarten könnten schon in wenigen Jahrzehnten aussterben, die übrigen sind von starken Populationseinbußen bedroht. Zu dieser Einschätzung kommen australische Forscher nach der Analyse dutzender Studien, die Verbreitung und Häufigkeit verschiedener Insektengruppen im Zeitverlauf erforschten. Die Autoren werten ihre Befunde als sechstes Massensterben der Erdgeschichte. Sie sehen die Hauptursache für den Rückgang der Biodiversität in der weltweit intensiv betriebenen Landwirtschaft und mahnen dringend einschneidende Agrarreformen an.
„Wenn wir unsere Methoden zur Erzeugung von Lebensmitteln nicht ändern, werden die Insekten in ihrer Gesamtheit binnen weniger Jahrzehnte den Weg des Aussterbens gehen. Auf die Ökosysteme der Erde wird dies, gelinde gesagt, katastrophale Auswirkungen haben. Denn Insekten bilden seit ihrem Erscheinen vor fast 400 Millionen Jahren am Ende des Devons die strukturelle und funktionelle Basis vieler Ökosysteme der Welt.“ Dieses alarmierende Fazit ziehen Francisco Sánchez-Bayo und Kris A. G. Wyckhuys nach der Analyse aller relevanten Publikationen der vergangenen 40 Jahre, die den Rückgang der Insektendiversität in unterschiedlichen Regionen der Welt untersucht hatten. Die Daten beziehen sich überwiegend auf Europa und Nordamerika, weil von dort die meisten historischen Aufzeichnungen über das Artenspektrum vorliegen und Vergleiche mit der aktuellen Situation erlauben. Die umfangreiche Metastudie, für die insgesamt 653 Studien gesichtet und davon die 73 aussagekräftigsten ausgewertet wurden, zeichnet ein alarmierendes Bild vom Zustand unseres Planeten.
Titelbild des Leitfadens „Methodenhandbuch zur Artenschutzprüfung in Nordrhein-Westfalen“ (MKULNV NRW & FÖA 2017).
(Paul-Bastian Nagel) Vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen werden vielfach eingesetzt, um das artenschutzrechtliche Zerstörungsverbot bei Eingriffen wie Straßenbauvorhaben zu vermeiden. Das Nordrhein-Westfälische Umweltministerium hat gemeinsam mit Experten in einem Leitfaden die Wirksamkeit der gängigen Maßnahmen bewertet (MKULNV NRW 2013). Dieser wird in der Planungspraxis deutschlandweit beachtet. Er geht davon aus, dass Maßnahmen mit „hoher“ und „sehr hoher“ Eignung nicht über ein Monitoring auf ihre Wirksamkeit überprüft werden müssen. Doch im Einzelfall und insbesondere bei weniger wirksamen Maßnahmen (geringe bis mittlere Eignung) ist ein Monitoring mit möglichen Korrekturen erforderlich. Um den Anwendungsbereich, die Methodenwahl und den Ablauf des Monitorings zu konkretisieren, wurde der Leitfaden um ein „Methodenhandbuch zur Artenschutzprüfung in Nordrhein-Westfalen“ ergänzt (MKULNV NRW 2017, ausführlich vorgestellt von LÜTTMANN et al. 2019).
Beschädigte oder zerstörte Fortpflanzungs- und Ruhestätten können bei genehmigtem Eingriff oder zulässigem Bauvorhaben nach dem Baugesetzbuch (BauGB) durch Ausgleichsmaßnahmen vorgezogen kompensiert werden. Voraussetzung für diesen vorgezogenen Ausgleich (auch CEF-Maßnahmen; CEF = continuous ecological functionality) ist unter anderem, dass die Maßnahme wirksam ist und eine zeitnahe Besiedlung der neu geschaffenen Lebensstätte „mit einer hohen Prognosesicherheit“ zu erwarten ist (LANA 2010). Diese Bewertung setzt voraus, dass bei der Umsetzung der Maßnahmen bereits umfangreich Erfahrungen gesammelt und publiziert wurden.
Waldbirkenmaus (Sicista betulina) mit Bodenfalle lebend gefangen auf der Fläche „Brennerin“ bei Altreichenau in 2013 (Foto: Dr. Richard Kraft).
David Stille, Richard Kraft und Helmut Luding
Die Waldbirkenmaus (Sicista betulina) im Bayerischen Wald – FFH-Monitoring einer schwer erfassbaren Kleinsäugerart mit Hilfe von Wildkameras
Die Waldbirkenmaus (Sicista betulina) zählt mit nur drei bekannten Vorkommen (Schleswig-Holstein, Bayerischer Wald und bayerisches Allgäu) zu den seltensten Säugetierarten in Deutschland. Die meisten Nachweise dieser Art beruhen auf Zufallsbeobachtungen. Mehrjährige Untersuchungen im Auftrag des Bayerischen Landsamtes für Umwelt (LfU) im Bayerischen Wald haben gezeigt, dass klassische Methoden wie Lebend- oder Bodenfallen für ein systematisches Monitoring der Waldbirkenmaus nicht geeignet sind. Seit 2016 verwenden die Autoren hochauflösende Wildkameras für die Erfassung der Waldbirkenmaus. Mit dieser Methode konnten bekannte Vorkommen auf zwei Flächen sowie eine Sichtbeobachtung auf einer weiteren Fläche bestätigt und zwei bisher unbekannte Vorkommen erfasst werden. Neben zahlreichen Aufnahmen der Waldbirkenmaus wurden 43 weitere Wirbeltierarten dokumentiert. Basierend auf den Ergebnissen dieses Projekts wird die Verwendung von Wildkameras als effiziente und verlässliche Nachweismethode für Waldbirkenmäuse gewertet.
Summary
The Northern Birch Mouse (Sicista betulina) is one of the rarest mammals in central Europe and listed in Annex IV of Habitats Directive. Only little is known about its distribution, abundance and habitats in Germany. During a project in the Bavarian Forest, funded by the Bavarian Environment Agency (LfU), standard methods for the detection of small mammals were tested extensively over a period of four years. Despite intense efforts, only four specimens were caught. Neither live traps, such as Longworth or Hengstler traps, nor pitfall traps proved suitable for the investigation of Sicista betulina. Starting in 2016, a new method was tested: 25 camera traps (Reconyx HC600) were equipped in five research areas for several weeks. Using this method, two known populations and a visual observation were confirmed and two previously unknown populations were documented. In total, 43 vertebrate species were recorded. Based on the results from this project, the deployment of wild cameras has proved to be an efficient and reliable method for the detection of the Northern Birch Mouse (translated by the editors).
Steffen Boch, Christian Ginzler, Benedikt R. Schmidt, Angéline Bedolla, Klaus Ecker, Ulrich Graf, Helen Küchler, Meinrad Küchler, Rolf Holderegger und Ariel Bergamini
Wirkt der Schutz von Biotopen? Ein Programm zum Monitoring der Biotope von nationaler Bedeutung in der Schweiz
Die Schweiz hat sich verpflichtet, ihre große biologische Vielfalt zu schützen und den Lebensraumverlust und das Aussterben bedrohter Arten zu unterbinden. Deshalb hat die Schweiz unter anderem seit Beginn der 1990er-Jahre rund 6.000 »Objekte von nationaler Bedeutung« ausgewiesen, darunter Hoch- und Flachmoore, Trockenwiesen und -weiden (TWW), Auen und Amphibienlaichgebiete. Die Wirkungskontrolle Biotopschutz ist ein 2011 langfristig angelegtes Programm zum Monitoring dieser Lebensräume. Luftbildanalysen und Felderhebungen bilden die Datengrundlage, um Veränderungen in den Biotopen von nationaler Bedeutung aufzuzeigen und die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen zu kontrollieren. Analysen zeigen, dass Moore und TWW zunehmend verbuschen, Moore trockener und nährstoffreicher werden und die lokale Anzahl der Amphibienarten abnimmt. Um diesen Trend, und damit den Lebensraum- und Artenverlust aufzuhalten, sollten die Schutzbemühungen auf nationaler Ebene möglichst rasch verstärkt werden.
Summary
Switzerland harbors a high biological diversity. To protect this biodiversity and to prevent habitat loss and the extinction of endangered species, Switzerland designated around 6000 „objects of national importance“ since the early 1990s, including fen, bog, dry grassland and flood plain habitats as well as amphibian breeding sites. In 2011, a long-term program “Monitoring the effectiveness of habitat conservation in Switzerland” has been established to monitor changes in these habitats. Data are collected using remote sensing and field surveys. Analyses show shrub encroachment in fens, bogs and dry grasslands, drier and nutrient-richer conditions in fens and bogs and locally declining numbers of amphibian species. These results indicate that conservation efforts on the national level should be increased as soon as possible to prevent further habitat and species losses.
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