Eine kommunale Biodiversitätsstrategie entwickeln – gewusst, wie?! Der Bamberger Weg und seine Erfolgsfaktoren aus der Retrospektive

Ökologisches Grünflächenmanagement ist eines der Ziele der Bamberger Strategie für biologische Vielfalt: Seit 1999 hat sich dadurch die Artenzahl der Blütenpflanzen an den Straßenrändern im Osten der Stadt von 320 auf 483 (2024) erhöht (Foto: Jürgen Gerdes).
(Jürgen Gerdes) Die Stadt Bamberg entwickelte innerhalb von drei Jahren in Eigenregie eine kommunale Biodiversitätsstrategie, die als Vorbild für kommunales Engagement im Arten- und Naturschutz gilt. Sie zeigt eindrücklich, wie es auch kleineren Kommunen mit begrenzten Mitteln gelingen kann, eine komplexe Umweltstrategie zu entwerfen und umzusetzen – trotz fehlender direkter Unterstützung durch Bund und Land.
Ausgangspunkt: Wettbewerb und politische Weichenstellung
Den Impuls gab 2010 die Teilnahme Bambergs am Wettbewerb „Bundeshauptstadt der Biodiversität“, bei dem die Stadt in ihrer Kategorie Rang 6 erreichte. Parallel unterzeichnete Bamberg die Deklaration „Biologische Vielfalt in Kommunen“ und trat dem Bündnis „Kommunen für biologische Vielfalt e. V.“ (Kommbio) bei. Ein entsprechender Stadtratsbeschluss beauftragte das Umweltamt, eine eigene Strategie zu entwickeln. Bereits hier zeigt sich ein Erfolgsfaktor: Politischer Rückhalt von Anfang an, verbunden mit der Erkenntnis, dass Biodiversität eine ressortübergreifende Querschnittsaufgabe ist.
Ohne Personal – aber mit Initiative: Die Rolle der Hochschule
Trotz minimaler personeller Ressourcen im Umweltamt – zwei Mitarbeiter, vorrangig mit Pflichtaufgaben ausgelastet – konnte Bamberg die Strategie entwickeln. Möglich wurde das durch die Kooperation mit der Fachhochschule Erfurt. Eine Studentin verfasste ihre Bachelor- und später Masterarbeit zur Entwicklung und Umsetzung der Strategie. Diese wissenschaftlich fundierten Arbeiten ersetzten eine teure externe Vergabe.
Der Maßnahmenplan umfasst 16 strategische Ziele – vom ökologischen Grünflächenmanagement über Biotopvernetzung bis hin zur insektenfreundlichen Beleuchtung. In der Masterarbeit wurden die jeweiligen Fachämter identifiziert und in Interviews auf freiwilliger Basis einbezogen. Trotz anfänglicher Skepsis bei manchen Akteuren gelang es, Verständnis und Akzeptanz durch individuelle Gespräche, Fachwissen und Moderation zu fördern.
Wie funktioniert so etwas in einer Behörde?
Die Strategie wurde nicht als fertiges Konsenspapier zur Abstimmung gebracht, sondern in einer fachlichen Erstfassung vom Umweltsenat 2014 einstimmig verabschiedet. Diese Vorgehensweise – erst beschließen, dann in die Abstimmung mit Fachstellen gehen – schuf Legitimität und beschleunigte den Prozess. Der politische Beschluss zwang die Ämter zur inhaltlichen Auseinandersetzung und öffnete Türen, auch ohne verbindlichen Druck. Die „Freiwilligkeit“ wurde betont, Konflikte offen angesprochen und gemeinsame Lösungen gesucht.
Evaluation und Fortschreibung trotz Engpässen
Durch Pflichtpraktika engagierter Studierender, die beim Umweltamt betreut wurden, gelang die Umsetzung auch ohne externe Förderung. Die Studierenden unterstützten zudem das begleitende Monitoring und die Evaluation. Diese pragmatische Nutzung vorhandener Strukturen zeigt, dass Personalengpässe kompensiert werden können – wenn Engagement, Offenheit für Kooperation und politischer Wille vorhanden sind.
2017 und 2021 wurden Zwischen- und Abschlussberichte vorgelegt, trotz weiterhin fehlender fester Zuständigkeit. Der Senat verlängerte die Strategie bis 2028. 2024 wurde schließlich eine neue Stelle für Biodiversitätsberatung im Umweltamt geschaffen und der Etat für Naturschutz erhöht – auch das ein Ergebnis der stetigen Sichtbarmachung von Erfolgen und Potenzialen.
Fazit: Erfolgsfaktoren der Bamberger Strategie
1. Politische Rückendeckung: Ein klarer Auftrag des Stadtrates bildete die Grundlage für ressortübergreifende Arbeit.
2. Externe Ressourcen nutzen: Die Kooperation mit Studierenden war entscheidend für die Entwicklung und Umsetzung der Strategie.
3. Strategisches Vorgehen innerhalb der Verwaltung: Ein frühzeitiger politischer Beschluss ermöglichte legitime Ansprache der Fachämter.
4. Kontinuität und Pragmatismus: Trotz fehlender Mittel wurde der Prozess mit Engagement und kreativen Lösungen am Laufen gehalten.
5. Transparenz und Kommunikation: Regelmäßige Berichte, Evaluationen und Öffentlichkeitsarbeit stärkten Akzeptanz und Sichtbarkeit.
6. Integration in bestehende Strukturen: Statt neue Institutionen zu schaffen, wurde Biodiversität in vorhandene Prozesse integriert.
Fördermittel, wie sie mittlerweile im Bundesprogramm Biologische Vielfalt (Förderschwerpunkt Stadtnatur) oder Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz bereitstehen, können den Prozess erleichtern. Die Geschichte Bambergs zeigt, wie mit Eigeninitiative, Netzwerkdenken und politischer Weitsicht eine ambitionierte Umweltstrategie auch ohne zusätzliche Fördermittel Realität werden kann.
Weitere Informationen
STADT BAMBERG (2021): Bamberger Strategie für Biologische Vielfalt – Abschlussbericht mit Evaluation (2014–2020). – www.stadt.bamberg.de/media/custom/3481_692_1.PDF?1651137443 (abgerufen am 19.08.2025).
FISCHER, E. (2012): Entwicklung einer kommunalen Biodiversitätsstrategie für die Stadt Bamberg. – Freie wissenschaftliche Arbeit zu Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Engineering (B. Eng.) in der Studienrichtung Landschaftsarchitektur der Fachhochschule Erfurt, vorgelegt am 13.08.2012, Erfurt: 40 S.
FISCHER, E. (2014): Umsetzung der Kommunalen Biodiversitätsstrategie Bamberg. Ziele – Akteure – Möglichkeiten und Hemmnisse. – Freie wissenschaftliche Arbeit zu Erlangung des akademischen Grades Master of Engineering (M. Eng.) in der Studienrichtung Landschaftsarchitektur der Fachhochschule Erfurt, vorgelegt am 07.11.2014, Erfurt: 110 S.
KOMMBIO (= BÜNDNIS „KOMMUNEN FÜR BIOLOGISCHE VIELFALT E. V.“, 2014): Bamberger Biodiversitätsstrategie – Kommunen für biologische Vielfalt e.V. – Online verfügbar unter: https://kommbio.de/dokumente/biodiversitaetsstrategie/ (abgerufen am 19.08.2025).
Autor
Jürgen Gerdes
juergen.gerdes@bnv-bamberg.de
Jürgen Gerdes (2026): Eine kommunale Biodiversitätsstrategie entwickeln – gewusst, wie?! Der Bamberger Weg und seine Erfolgsfaktoren aus der Retrospektive. – Anliegen Natur 48/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/biodivstrategie-bamberg/.