Der Grubenlaufkäfer im Fokus – Neues aus der Forschung
In vielen Seitentälchen geht die Quellschüttung zurück und die günstigen Habitatbereiche der Art verschieben sich immer weiter nach unten (Foto: Stefan Müller-Kroehling).
(Stefan Müller-Kroehling) Der Grubenlaufkäfer wird aufgrund seines Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Status seit 20 Jahren intensiv erforscht. Wir geben Einblick in die aktuellen Ergebnisse zu Vorkommen an den Rändern seines Areals und zur genetischen Einschätzung der taxonomischen Gliederung. Wiederfunde geben Anlass zur Hoffnung auf den langfristigen Erhalt beider Unterarten. Ob es sich möglicherweise sogar um eigenständige Arten handelt, ist weiterhin ungeklärt.
Der Grubenlaufkäfer hat sich seit seiner Aufnahme in die Anhänge der FFH-Richtlinie vor gut 20 Jahren als eine große Bereicherung des Natura 2000-Netzes erwiesen. In Bezug auf die Naturnähe und den Wasserhaushalt seiner Lebensräume ist es eine anspruchsvolle Art. Zugleich ist sie zwar bedingt ausbreitungsfähig, jedoch nur „fußläufig“, und ist daher auf Konnektivität ihrer naturnahen Lebensräume angewiesen. Das macht die Art zu einem idealen Indikator für Vernetztheit des „Europäischen Netzes Natura 2000“.
Viele Arten haben seit ihrer Aufnahme in die FFH-Anhänge eine sprunghafte Zunahme von Forschung und Erhebungen erfahren, so auch der Grubenlaufkäfer. Wir stellen seit dem letzten „Newsticker“ (MÜLLER-KROEHLING 2022) einige aktuelle Erkenntnisse vor.
„Art oder Unterart, das ist (nicht) die Frage“
Bisher haben sich drei Arbeiten mit der Genetik des Grubenlaufkäfers und seinen zwei Taxa befasst, die als Arten oder Unterarten aufgefasst werden können (MÜLLER-KROEHLING et al. 2019). MATERN et al. (2010) kamen zu dem Ergebnis, dass in Mitteleuropa drei räumlich und genetisch unterscheidbare Taxa vorliegen, gleichzeitig mögliche Refugialräume. Seit der Veröffentlichung der Studie von MOSSAKOWSKI et al. (2020) gehen aktuell einige Praktiker davon aus, dass durch diese nun geklärt sei, dass der Grubenlaufkäfer aus zwei Arten besteht – und nicht zwei Unterarten. „Nicht so schnell“ könnte man daher mit den Erkenntnissen des belgischen Forscherteams rund um PAULI (2024) antworten. Sie stellen zwar wie die vorgenannten Studien fest, dass beide Taxa im genetischen Stammbaum der untersuchten Proben relativ „gut getrennt“ seien, aber eben „nicht monophyletisch“, was bedeutet: Kreuzungsereignisse haben so regelmäßig stattgefunden, dass die genetische Distanz der Taxa mehrfach neu entstehen musste. Sie kommen auf der Basis umfassenderer Genorte zu dem Schluss, dass weder die „begrenzten Kreuzungsexperimente“ noch die Untersuchung von zwei Genfragmenten eine abschließende Bewertung der Fragestellung zulassen. Die wissenschaftliche Frage, ob die FFH-Art eine „Superart“ mit zwei dahinterstehenden Arten oder eine Art mit zwei Unterarten ist, bleibt jedenfalls weiterhin noch ungeklärt. Für die Praxis hat sie ohnehin wenig Bedeutung, denn beide Taxa haben eine identische Biologie.
Klimawandel und Grubenlaufkäfer
Das Gleiche zeigen auch drei aktuelle Arbeiten aus den verschiedenen Ecken der Verbreitung des Artkomplexes (TYSZECKA et al. 2024; MAILLARD 2021; BEKCHIEF et al. 2022): Eine vierjährige Studie in den polnischen Karpaten (TYSZECKA et al. 2024) fand, dass die Aktivität der Art vor allem von klimatischen Faktoren und weniger den Wetterbedingungen gesteuert wird. Die Frühjahrsaktivität erwies sich als maßgeblich von den Bedingungen des vorausgehenden Sommers beeinflusst, die Herbstaktivität von den Sommerbedingungen des aktuellen Jahres. Verändert sich also das Klima, hat das direkte Auswirkungen auf die Aktivitätsmuster der Art der Folgezeiträume. Die Auswirkungen innerhalb der untersuchten vier Jahre sind zwar nicht gravierend, zeigen aber über die bestehende Verknüpfung der Aktivitätsmuster mit dem Klima ihre Abhängigkeit von einer günstigen – also nicht zu heiß-trocken getönten – Klimaentwicklung.
Am anderen Ende der Verbreitung des Artkomplexes, im Zentralmassiv, Vogesen und Voralpen Frankreichs, ist die Situation der Art in den Waldgewässern ungleich schlechter als in Osteuropa. Viele geeignete Gewässer sind bereits seit vielen Jahren verwaist. Dennoch fanden Forscher die in manchen der Regionen verschollene Art bei systematischer Nachsuche – sicher beflügelt durch ihren FFH-Status und ihre Eigenschaft als Zielart, auch speziell im Klimawandel (MAILLARD 2021).
Und das ist auch in Bulgarien der Fall, am Südostrand des Verbreitungsgebietes, wo die Art insgesamt stolze 111 Jahre als verschollen galt (BEKCHIEF et al. 2022). Die Autoren betonen, dass erst der FFH-Status der Art die gezielte Nachsuche und Bestätigung des Vorkommens am Südrand ihrer Verbreitung ermöglicht hat, wenn auch hier in offenbar kleinen, den Auswirkungen des Klimawandels unterworfenen Populationen.
Ausblick
An den Rändern der Verbreitung einer Art zeigt sich, ob ihre günstigen Bedingungen eher zu oder eher abnehmen. Als Land mitten im Verbreitungsgebiet sind wir in der günstigen Lage, die hiesigen Vorkommen in einem günstigen Zustand erhalten oder durch naturnahe und gut vernetzte Gestaltung der Gewässer und Wälder wieder in einen solchen versetzen zu können. Ist der bei uns vorkommende Grubenlaufkäfer dabei sogar als eigene Art aufzufassen? Neue Methoden der genetischen Forschung, die auf viel mehr Genorten aufsetzen oder sogar komplette Genome vergleichen („Genome skimming“) werden zweifellos noch neue Erkenntnisse erbringen. Als FFH-Art ist so oder so der gesamte Artkomplex zu betrachten.
Literatur
BEKCHIEF, R., ANTOV, M., BOYADZHIEV, P. et al. (2022): Carabus variolosus (Fabricius, 1787) (Coleoptera: Carabidae) in Bulgaria: rediscovered after 111 years. – Historia Naturalis Bulgarica 44(10): 119–123.
MATERN, A., DREES, C., VOGLER, A. P. et al. (2010): Linking Genetics and Ecology: Reconstructing the History of Relict Populations of an Endangered Semi-Aquatic Beetle. – In: HABEL, J. & ASSMANN, T. (Eds.): Relict Species – Phylogeography and Conservation Biology: 253–265.
MÜLLER-KROEHLING, S. (2022): Neues vom Grubenlaufkäfer. – Anliegen Natur 44(1): 104; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/aktuelles-grubenlaufkaefer/ (abgerufen am 15.10.2025).
MÜLLER-KROEHLING, S., ADELMANN, W., SSYMANK, A. et al. (2019): Art oder Unterart? Der Grubenlaufkäfer ist in jeder Hinsicht eine Fauna-Flora-Habitat-Art. – Anliegen Natur 41(1): 193–198; https://doi.org/10.63653/vjqm1605 (abgerufen am 15.10.2025).
MAILLARD, D. (2021): Carabus nodulosus: coup deprojecteur sur un coléoptère semi-aquatique de notre région, rare etprotégé. – www.biodiversite-auvergne-rhone-alpes.fr/carabus-nodulosus-coup-de-projecteur-sur-un-coleoptere-semi-aquatique-de-notre-region-rare-et-protege/ (abgerufen am 15.10.2025).
MOSSAKOWSKI, D., BÉRCES, S., HEJDA, R. et al. (2020): High molecular diversity in Carabus (Hygrocarabus) variolosus and C. nodulosus. – Acta Zoologica Hungarica 66 (Suppl.):147–168.
PAULI, M. T., GAUTHIER, J., LABÉDAN, M. et al. (2024): Museomics of Carabus giant ground beetles shows an Oligocene origin and in situ alpine diversification. – Peer Community Journal, Section: Zoology 4, article e70; https://doi.org/10.24072/pcjournal.445 (abgerufen am 15.10.2025).
TYSZECKA, K., ZAJAC, K. & KADEJ, M. (2024): Winter and summer conditions affect the mountain population of Carabus variolosus, a ground beetle of European conservation concern. – Science of the total Environment 972; 179149.
Autor
Stefan Müller-Kroehling
Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF)
Stefan.Mueller-Kroehling@lwf.bayern.de
Stefan Müller Kroehling (2026): Der Grubenlaufkäfer im Fokus – Neues aus der Forschung. – Anliegen Natur 48/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/fokus-grubenlaufkaefer/.
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