CIPRA-Projekte zeigen, wie Organisationsstrukturen für Naturschutz und Klimawandelanpassung genutzt werden können

Flussrenaturierungen sind wichtiger Bestandteil von Klimawandelanpassung, wie hier am Liechtensteiner Binnenkanal am Rhein, der bereits in den 1990er-Jahren renaturiert wurde und heute wichtigen Lebensraum für viele Arten, beispielsweise den Eisvogel darstellt (Foto: Caroline Begle).
(Michael Gams, Carolin Klar) Drei Projekte der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA mit unterschiedlichen Schwerpunkten regen an, wie Klimawandelanpassung durch naturbasierte Lösungen gelingen kann. Zentral sind die Organisationsstrukturen, ein ganzheitlicher Ansatz sowie die Vernetzung mit lokalen Akteuren.
MultiBios: Biosphärenparks als Netzwerker zwischen Natur und Mensch
Naturgefahren, wie Waldbrand, Murenabgänge, Sturmschäden oder Schneebruch betreffen direkt die lokale Bevölkerung und forst- und landwirtschaftliche Betriebe. Das Projekt MultiBios zeigt verschiedene Konfliktfelder zwischen Landnutzung und Naturgefahren auf und sucht nach Lösungen, wie Klimawandelanpassung und Naturschutz gemeinsam gelingen können (URL 1). Dazu zählen naturbasierte Ansätze wie etwa Windschutzgürtel oder bodenschonende, biologische und diversifizierte Landwirtschaft – etwa zum Schutz von Mooren. Vorbeugen und entgegenwirken kann man laut CIPRA mit einem systemischen Blick auf Regionsebene: Für diesen können Organisationsstrukturen wie Biosphärenparks genutzt werden. Diese gelten als Modellregionen für das Zusammenleben von Mensch und Natur. Sie vermitteln Wissen, beteiligen sich an Forschungsprojekten und vernetzen Akteurinnen und Akteure. Im Umgang mit Naturgefahren und Klimarisiken spielen sie bislang allerdings nur eine passive Rolle. Gerade dort, wo es um langfristige Prävention geht, könnten Biosphärenparks jedoch eine wichtige Aufgabe übernehmen. So können Synergien zwischen Klimawandelanpassungen und dem Naturschutz entstehen. Beispiele für solch eine synergetische Nutzung gibt es bereits, beispielsweise im Einsatz von Frühwarnsystemen von Naturgefahren. Der Biosphärenpark Murtal ist Teil einer österreichisch-slowenischen Hochwasser-Kommission, die dazu einen grenzüberschreitenden Managementplan erarbeitet hat (URL 1), und im Biosphärengebiet Schwarzwald gibt es ein Vorhersagemodell zur Wasserversorgung der Allmendweiden während Dürren und Trockenzeiten (URL 2; SCHMIT & WEILER 2023).
Bericht zu Governance-Strukturen für naturbasierte Lösungen
Wie verschiedene weitere Governance-Strukturen naturbasierte Lösungen im Alpenraum weiterbringen können, zeigt ein Bericht von ifuplan und CIPRA International (BUSSE et al. 2024; MARZELLI et al. 2025; URL 3). Darin werden die Potenziale verschiedener naturbasierter Maßnahmen im Alpenraum und die Governance-Mechanismen dahinter untersucht, die ein Gelingen sicherstellen. Im Bericht werden erfolgreich umgesetzte Modellprojekte hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Biodiversität und Klimaschutz oder -anpassung, ihrer sozioökonomischen Vorteile sowie ihrer Governance-Merkmale analysiert. Die Projekte befassen sich unter anderem mit
- der Wiedervernässung von Mooren (Allgäuer Moor-Allianz),
- Hochwasserschutz durch Regenwassermanagement in innerstädtischen Feuchtgebieten (im Parc Ouagadougou, Frankreich),
- Fluss-Renaturierungen, die den Hochwasserschutz verbessern und regionale Wirtschaft und Tourismus stärken (LIFE Lech, Österreich/Deutschland; URL 4),
- renaturierten Stadtbächen zur Förderung der Biodiversität und zur Reduzierung von Überschwemmungen (Zürcher Bachkonzept, Schweiz; URL 5),
- Strategien für klimaresistentes Weidemanagement und den Schutz von weidespezifischen Lebensräumen (LIFE PASTORALP, Frankreich, Italien; Baronti et al. 2022; URL 6).
Ground:breaking erzeugt Aufbruchstimmung
Ein drittes Projekt befasste sich mit dem Zustand des Bodens, der sich auf Extremwetterereignisse auswirkt. Wird Boden etwa von Asphalt befreit und begrünt, gewinnt er langfristig viele seiner natürlichen Funktionen zurück, vom Wasserhaushalt bis hin zur Produktion von Nahrungsmitteln. Allerdings stehen Entsiegelungsvorhaben, insbesondere in urbanen Räumen, oft im Konflikt mit anderen Nutzungsinteressen. Hier setzt das Projekt Ground:breaking an (URL 7) und zeigt gelungene Beispiele auf – beispielsweise eine private Initiative im Schweizer Hubersdorf, die aus einem 600 Quadratmeter großen, asphaltierten Parkplatz einen Naturgarten mit Teich, heimischen Gehölzen und anderen Kleinbiotopen für Amphibien, Insekten, Reptilien oder Vögel gestaltet hat. Gleichzeitig erhöht der Garten die Lebensqualität und das Bewusstsein über die Bedeutung naturnaher Flächen. Oder in Bruneck, wo unter Beteiligung der Bevölkerung ein 1.800 Quadratmeter großer, ehemaliger Busbahnhof entsiegelt wurde (URL 8): Die graue Asphaltwüste ist nun eine grüne Oase der Erholung und generationsübergreifender Treffpunkt mit direktem Anschluss an öffentliche Verkehrsmittel. Heimische, mehrjährige Pflanzen und Stauden bieten Lebensraum für Kleintiere, wie Insekten. Er ist zudem wertvoll für das Mikroklima mitten in der Stadt.
Die verschiedenen erfolgreich umgesetzten Entsiegelungsmaßnahmen zeigen, dass sowohl private Initiativen als auch Kommunen und andere Organisationseinheiten wichtige Treiber für Klimawandelanpassung und Biodiversität sind.
Fazit für die Praxis
Die verschiedenen Projekte mit unterschiedlichen Schwerpunkten verdeutlichen: Der Erfolg der Projekte zeichnet sich durch die interdisziplinären Ansätze, die umfassende Beteiligung von Interessensgruppen, die klaren Organisationsstrukturen und durch lösungsorientiertes Konfliktmanagement aus. Bestehende Strukturen sollten genutzt werden, denn so entwickeln sich Synergien auch zwischen Natur- und Klimaschutz.
Weitere Informationen und Literatur
BARONTI, S., UNGARO, F., MAIENZA, A. et al. (2022): Rotational pasture management to increase the sustainability of mountain livestock farms in the Alpine region. – Regional Environmental Change; https://doi.org/10.1007/s10113-022-01896-1 (abgerufen am 09.04.2025).
BUSSE, L., MARZELLI, S., HOLZER, M. et al. (2024): Naturbasierte Lösungen und ihre Governance-Strukturen im Alpenraum. – Input Paper; www.cipra.org/de/projekte/naturbasierte-loesungen-und-ihre-governance-strukturen-im-alpenraum (abgerufen am 09.04.2025).
MARZELLI, S., BUSSE, L., EMMER, A. et al. (2025): Nature-based Solutions and their Governance Structures for Climate Action in the Alpine Region. – Umweltbundesamt: 139 S.; https://doi.org/10.60810/openumwelt-7874 (abgerufen am 05.06.2025).
SCHMIT, M. & WEILER, M. (2023): Modellierung der Wasserdargebotsänderungen für das Weidewasserprojekt Belchen. – Universität Freiburg; DOI: 10.6094/UNIFR/242946; Zugriff über www.researchgate.net/publication/384684600_Modellierung_der_Wasserdargebotsanderungen_fur_das_Weidewasserprojekt_Belchen (abgerufen am 30.04.2025).
URL 1: Projekt „MultiBios“; www.cipra.org/de/projekte/multibios (abgerufen am 07.04.2025).
URL 2: Weidewasserprojekt; www.biosphaerengebiet-schwarzwald.de/pressemitteilungen/ohne-weidewasser-keine-beweidung-wie-kann-die-versorgung-trotz-klimawandel-sichergestellt-werden/ (abgerufen am 07.04.2025).
URL 3: Projekt „Naturbasierte Lösungen und ihre Governance-Strukturen im Alpenraum“; www.cipra.org/de/cipra/international/projekte/laufend/naturbasierte-loesungen-und-ihre-governance-strukturen-im-alpenraum (abgerufen am 07.04.2025).
URL 4: Projekt „LIFE Lech“; www.life-lech.at/ (abgerufen am 09.04.2025).
URL 5: Zürcher Bachkonzept; https://sponge-city.info/projekte/albisriederdorfbach-zuerich/#project-information (abgerufen am 09.04.2025).
URL 6: Projekt „LIFE PASTORALP“; www.pastoralp.eu/home/ (abgerufen am 09.04.2025).
URL 7: Projekt „Ground-breaking“; www.cipra.org/de/ground-breaking (abgerufen am 07.04.2025).
URL 8: Stadtgemeinde Bruneck erhält Ground:breaker Award der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA; www.comune.brunico.bz.it/de/Neuigkeiten/Pressemitteilungen/Stadtgemeinde_Bruneck_erhaelt_Ground_breaker_Award_der_Internationalen_Alpenschutzkommission_CIPRA_2 (abgerufen am 09.04.2025).
Autor/Autorin
Michael Gams
Verein CIPRA International
Internationale Alpenschutzkommission
Schaan/Liechtenstein
+42 32375304
michael.gams@cipra.org
Carolin Klar
Bayerische Akademie für Naturschutz
und Landschaftspflege
+49 8682 8963-39
carolin.klar@anl.bayern.de
Michael Gams & Carolin Klar (2025): CIPRA-Projekte zeigen, wie Organisationsstrukturen für Naturschutz und Klimawandelanpassung genutzt werden können. – Anliegen Natur 47/2; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/cipra/.