FUNDGRUBE Naturschutz: Aktivitäten des Bayerischen Artenschuzzentrums
In dieser Sonderausgabe der Fundgrube Naturschutz gibt Ihnen das Team des Bayerischen Artenschutzzentrums einen Einblick in seine aktuellen Aktivitäten.
Hier finden Sie aktuelle Ergebnisse, Publikationen und Ereignisse aus Wissenschaft und Naturschutz. Die hier vorveröffentlichten Kurznachrichten werden zweimal jährlich in der Zeitschrift ANLiegen Natur zusammenfassend publiziert.
In dieser Sonderausgabe der Fundgrube Naturschutz gibt Ihnen das Team des Bayerischen Artenschutzzentrums einen Einblick in seine aktuellen Aktivitäten.
Viktoria Angerer, Dominik Katzenmayer, Sonja Hölzl, Jonas Eberle und Jan C. Habel
Vornutzung zur Förderung von artenreichem Grünland
Artenreiche, extensiv genutzte Wiesen und Magerrasen haben durch Intensivierung, Nutzungsaufgabe und Stickstoffeinträge über die letzten Jahre stark abgenommen und an Lebensraumqualität verloren. Häufig sollen artenreiche Wiesen durch eine späte Mahd erhalten werden, jedoch stellt die Vornutzung im zeitigen Frühjahr eine alternative Managementstrategie dar, um dem Ökosystem Stickstoff zu entziehen. Unter Vornutzung ist die zusätzliche Nutzung einer Fläche im Frühjahr, vor der eigentlichen Nutzung im Hochsommer, zu verstehen. Die anschließenden Nutzungstermine finden dann zu einem späteren Zeitpunkt statt. Auf Grundlage ökologischer Kenngrößen wurden die möglichen positiven und negativen Effekte einer Vornutzung an ausgewählten Gefäßpflanzen und Tierarten untersucht. Die negativen Effekte auf Flora und Fauna sind in den Monaten März und April am geringsten und steigen im Jahresverlauf für die meisten Gruppen deutlich an. Im Juni und Juli, den aktuellen Hauptnutzungszeiten, sind die negativen Auswirkungen einer Nutzung auf Pflanzen und Tiere am größten. Unter bestimmten Bedingungen können durch eine Vornutzung artenreiche Blühwiesen erhalten und die Lebensraumqualität erhöht werden.
Summary
Pre-use through early grazing and mowing is an alternative management strategy to promote species-rich grassland
Species-rich, extensively used meadows and grasslands have severely declined during the past years due to agricultural intensification, abandonment of use, and nitrogen inputs, and have lost habitat quality. Often species-rich meadows are to be maintained by late mowing, but early grazing and mowing is an alternative management strategy to remove nitrogen from these ecosystems. Pre-use refers to the additional use of land in the spring, prior to actual use in mid-summer. Subsequent use dates then occur at a later time. Based on ecological parameters, the possible positive and negative effects of early grazing and mowing were investigated on selected vascular plants and animal species. Negative effects on flora and fauna are lowest in March and April and increase significantly throughout the year for most groups. In June and July, the current peak use periods, the negative effects of use on plants and animals are greatest. Under certain conditions, early grazing and mowing can maintain species-rich flowering meadows and increase habitat quality.
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Viktoria Angerer, Dominik Katzenmayer, Sonja Hölzl und Jan C. Habel
Handlungsempfehlungen für die Vornutzung artenreicher Mähwiesen und Kalkmagerrasen
Artenreiche Mähwiesen und Kalkmagerrasen sind sowohl durch die landwirtschaftliche Intensivierung als auch durch Unternutzung stark bedroht. Um den typischen Charakter eines bestimmten Wiesentyps und die Lebensraumqualität langfristig zu erhalten, ist häufig eine zusätzliche Vormahd oder Vorweide im zeitigen Frühjahr eine empfehlenswerte Maßnahme. Dadurch kann der offene Wiesencharakter mit zahlreichen seltenen Pflanzen- und Tierarten erhalten werden. Zentrale Ziele sind dabei, dem Ökosystem Stickstoff zu entziehen und bestimmte Problem-Pflanzen zu bekämpfen. Die Wahl zwischen Vormahd und Vorweide ist von standortspezifischen Charakteristika, der Bewirtschaftungsgeschichte sowie den aktuellen Problemen auf einer Fläche abhängig. Ein Orientierungsschema soll Leitfaden und Entscheidungshilfe für die Praxis sein, um besser abschätzen zu können, wann, wo und welche Art von Vornutzung sinnvoll ist.
Summary
Recommendations for action for the early grazing or mowing of species-rich meadows and calcareous grasslands
Species-rich meadows and calcareous grasslands are severely threatened by both, agricultural intensification and underuse. In order to preserve the typical character of a particular meadow type and its habitat quality in the long term, additional grazing and mowing during early spring is often a recommended measure. This can preserve the open meadow character with numerous rare plant and animal species. Key objectives are to remove nitrogen from these ecosystems and to reduce certain problem plants. The choice between early grazing and early mowing depends on site-specific characteristics, management history, and current problems on an area. A decision tree is intended to be a guide and decision aid for practitioners to better assess when, where, and what type of early grazing and mowing makes sense.
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Fotocollage aus (links) Frühlings-Küchenschelle (Foto: Angelika Thuille) und (rechts) Skabiosen-Scheckenfalter (Foto: Alice Czarnowsky).
Eva Schmidt und Anna Swiatloch
Das Netzwerk Natura 2000-Stationen in Thüringen – Ergebnisse aus über fünf Jahren Arbeit
Seit 2016 sind die Natura 2000-Stationen als Schnittstellen zwischen behördlichem und ehren-amtlichem Naturschutz in Thüringen aktiv. Seitdem ist viel geschehen. Erstmals liegt nun ein „Bericht zur Evaluierung der Natura 2000-Stationen in Thüringen“ vor. Es wird deutlich, dass das Stationsnetzwerk der Hauptmotor für die Akquise von Naturschutzprojekten, die Umsetzung der Managementpläne und damit ein wesentliches Instrument zum Erreichen der Schutzziele Thüringens ist.
Summary
The Network Natura 2000 stations in Thuringia – results after 5 years of operation
Since 2016, the Natura 2000 stations have been active as interfaces between official and voluntary nature conservation in Thuringia. A lot has happened since then. A „Report on the Evaluation of the Natura 2000 Stations in Thuringia“ is now available for the first time. It becomes clear that the station network is the main driver for the acquisition of nature conservation projects, the implementation of management plans and thus an essential instrument for achieving Thuringia’s conservation goals.
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Virtuelle Realität als wichtiger Baustein des Natura 2000-Manager-Lehrgangs (Foto: Benjamin Melzer).
Katinka Sauer, Sebastian König, Stefan Brunzel und Anna Swiatloch
E-Learning-Lehrgang „Natura-2000-Manager:in“ geht in Testphase
Die Umsetzung der Natura 2000-Ziele sind verbunden mit einem fachlich hochwertigen Management der Schutzgebiete. Es sind fundierte Kenntnisse in verschiedenen Bereichen wie Ökologie, Fördermittelakquise, Naturschutzrecht und vielen mehr von Nöten. Der neu etablierte E-Learning-Lehrgang „Natura-2000-Manger:in“ soll dieses Wissen vermitteln, um die Umsetzung von Natura 2000 zu optimieren und die Erhaltungszustände nachhaltig zu sichern und zu verbessern.
Summary
E-learning course „Natura-2000-Manager“ launched in trial
The implementation of Natura 2000 goals is linked to a high-quality management of the protected areas. Consolidated knowledge in various fields such as ecology, acquisition of funding, nature conservation law and many more is required. The recent established e-learning course „Natura-2000-Manger“ aims to impart this knowledge in order to optimize the implementation of Natura 2000 and to secure and improve the conservation status in the long term.
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Pia Bergknecht, Tobias Birkwald und Stefan Meyer
Stoppelbrachen – eine Chance für spätblühende Ackerwildkräuter?
Ackerwildkräuter erhalten durch die Vertragsnaturschutz (VNP)-Stoppelbrache Raum und Zeit sich auch im Spätsommer noch entwickeln zu können. Eine arten- und blütenreiche Stoppelbrache in der heutigen, oftmals monotonen Agrarlandschaft ist nicht nur aus ästhetischer Sicht wertvoll, sondern bietet auch höheren trophischen Tiergruppen eine Nektar- und Pollenquelle. In den Untersuchungen konnten wir zeigen, dass Stoppelbrachen, die im Rahmen von VNP-Maßnahmen bewirtschaftet werden, signifikant artenreicher sind als Stoppelbrachen, die ohne VNP bewirtschaftet werden. Beobachtet wurde zudem ein höheres Potenzial zur Vergrasung auf konventionell bewirtschafteten VNP-Stoppeläckern.
Summary
Stubble fallows – Chance for late-season flowering weeds?
The Contract-Based Conservation Program (CBCP) for stubble fallows give weeds both the time and space to grow even throughout the late summer months. In today’s rather monotonous agricultural landscapes a stubble fallow which is rich in both species and blossoms serves more than just an aesthetic purpose; it is an important source of nectar and pollen for Higher Level Trophic Species. As our study demonstrates stubble fallows which were farmed in the context of an CBCP prove to be significantly more specious when compared to conventionally farmed fields. Furthermore, there is a considerably increased potential for the development of invasive grasses in otherwise conventionally farmed CBCP stubble fallows.
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(Lisa Zeller, Roman Schuster, Michael Schmitt) Mit 01.07.2022 ist das Kompetenzzentrum Artenkartierung (K-ART) der DB Netz AG unter der Leitung von Dr. Michael Schmitt als eigenständige Organisationseinheit gegründet worden. Mit K-ART ist eine Abteilung entstanden, die sich in erster Linie mit dem Thema Artenschutz und im Speziellen mit Artenkartierungen für die DB AG beschäftigt. Hierfür wird Personal aufgebaut, das die entsprechende Fachexpertise mitbringt und als Ansprechpartner DB-weit agiert. Für die operative Arterfassung werden ausgebildete Kartierer-Artenspürhunde-Teams (KAT) eingesetzt. Mit einem eigens entwickelten IT-System wird die Artenkartierung digitalisiert und automatisiert. Somit können Kartierungen vorausschauend geplant und sowohl interne als auch externe Kartierergebnisse standardisiert erfasst und in einer Datenbank gespeichert werden.
Mithilfe des IT-Systems wurden im Herbst 2022 mehrere Streckenabschnitte ermittelt, für welche im Jahr 2023 Kartierungen stattfinden werden. Der Großteil dieser Leistungen wird von externen Kartierbüros bearbeitet. Der Schwerpunkt der internen Kartierer des Teams K-ART liegt auf ausgewählten Projekten und auf kurzfristigen internen Anfragen, welche den Einsatz des Artenspürhundes erfordern.
Derzeit sind fünf ausgebildete KAT im Einsatz, die 2022 diverse Einsätze innerhalb der DB AG übernommen haben. Schwerpunkt der Teams ist der Präsenz-Absenz-Nachweis von Reptilien und Amphibien sowie das Aufspüren von potenziellen Fledermausquartieren bei anstehenden Bahnprojekten.
Die Einsatzmöglichkeit der Teams sei an einem Beispiel kurz erklärt: Storm und Monte sind zwei Artenspürhunde, die auf die streng geschützte Art Zauneidechse konditioniert und auf Mauereidechsen gegenkonditioniert sind. Das bedeutet, dass sie im Training gelernt haben, dass Mauereidechse nicht für Belohnung steht und sie daher diese Art im Feld nicht anzeigen. Das K-ART konnte somit am Projekt Nordbahnsteig Pasing mit Hilfe der KAT den geforderten Auftrag übernehmen und zukünftige Baustelleneinrichtungsflächen auf Vorkommen von der streng geschützten Art Zauneidechse prüfen. In diesem Fall stellen die Artenspürhunde des K-ART eine perfekte Ergänzung zum Menschen dar.
In einem bürgerwissenschaftlichen Projekt in der Rhön wurden die Golddistel (links) und die Silberdistel (rechts) erfasst. Von der bekannteren und positiver besetzten Silberdistel gab es, bei ähnlicher tatsächlicher Dichte, deutlich mehr Meldungen (Fotos: Maja Büttner).
(Tina Bauer, Hannah Babel, Pia Bergknecht) Positiv besetzte Tier- oder Pflanzenarten können ein Motivationsfaktor zur Teilnahme an bürgerwissenschaftlichen Arterfassungsprojekten sein. Dies zeigt die Auswertung eines Projektes zur Suche nach Silberdistel (Carlina acaulis) und Golddistel (Carlina vulgaris) im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön. Sind die gesuchten Arten – wie beispielsweise die Silberdistel in der Rhön – regional bedeutsam, besonders geschützt oder sehr auffällig, kann dies dazu führen, dass die Arten nach der Teilnahme am Projekt bewusster und häufiger wahrgenommen werden.
Im Naturschutz werden in den letzten Jahren vermehrt bürgerwissenschaftliche Projekte (auch bekannt als „Citizen Science“) zur Erfassung von Arten durchgeführt, um neue Erkenntnisse über die Verbreitung von Tier- und Pflanzenarten zu gewinnen. Dabei ist allerdings noch wenig darüber bekannt, welche Auswirkung die Teilnahme an einem solchen Projekt auf die Bevölkerung hat (BRUCKERMANN et al. 2020) und welche Haltungen und Emotionen die Teilnahme beeinflussen. Durch qualitative Befragungen von Teilnehmenden mittels leitfadengestützter Interviews (sechs Personen) sowie quantitativer Befragungen mittels Online-Fragebögen (37 Personen) wurden am Beispiel des Projektes zur Suche nach Silberdistel und Golddistel in der Rhön Einstellungen gegenüber den gesuchten Arten untersucht. Insgesamt gab es im Projektzeitraum (Oktober/November 2021 bei der Silberdistel mit 173 Meldungen (mehr als 2.000 Einzelpflanzen) deutlich mehr Funde als bei der Golddistel mit 22 gemeldeten Standorten (300 Einzelpflanzen) Dies entspricht jedoch nicht den realen Verhältnissen, da die Golddistel in der Region mindestens ebenso häufig vertreten sein müsste.
Die Silberdistel (Carlina acaulis) – regional unter dem Namen „Rhöndistel“ bekannt – ist eine insgesamt sehr bekannte und positiv besetzte Pflanze in der Rhön, was die Auswertung der Befragungen bestätigte. Viele Teilnehmende beschrieben sie als Wahrzeichen oder Symbolpflanze der Rhön und verbinden sie mit einem Gefühl von Heimat oder Erinnerungen an ihre Kindheit. Die Golddistel (Carlina vulgaris) hingegen war den Befragten in der Rhön deutlich unbekannter. Im Gegensatz zur Silberdistel wurde sie als weniger schön und weniger besonders wahrgenommen und die Befragten waren sich unsicherer, ob es sich überhaupt um eine einheimische Pflanze handelt. Insgesamt waren sich die Teilnehmenden außerdem bei der Bestimmung der Silberdistel deutlich sicherer als bei der Bestimmung der Golddistel.
(Lisa Silbernagl) Seit Dezember 2021 ist die stark überarbeitete und erweiterte Neuauflage des bekannten „Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands“ unter neuem Titel verfügbar. Dieser spezifiziert klug, was die Leserinnen und Leser erwartet: Kein herkömmliches Florenwerk oder Bestimmungsbuch, sondern ein 1.800 g schweres Nachschlagwerk zu (Bestäubungs-)Ökologie, Verwendung, Gefährdung, Etymologie und vielen weiteren Themen.
Im speziellen Teil werden 630 Arten in ausführlichen Steckbriefen vorgestellt. Die Beschreibungen sind dicht und informativ und im Umfang an die jeweilige Art angepasst. Im Anschluss sind weitere nah verwandte Arten kurz charakterisiert, sodass insgesamt über 1.400 Arten behandelt werden. Gerahmt ist der Teil von Übersichtskapiteln zu Morphologie und Funktion, wie Frucht- und Ausbreitungstypen oder Lebensformtypen, einer systematischen Zuordnung und einem ausgesprochen differenzierten Kapitel zu Status und gebietsfremden Arten. Praktische Artenlisten für bestimmte ökologische Gruppen und Verwendungszwecke sowie Trachtpflanzen für verschiedene Insektengruppen runden das Werk ab.
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